Donnerstag, 3. Juni 2010

Crews in der Piratenpartei - Selbstverständnis NRW

Vor knapp über einer Woche wurde ich von einem Vorgesetzten genötigt Freund gebeten mal einen Blick ins schöne Nordrhein-Westfalen zu werfen. Denn da hätten die Piraten eventuell ein paar Satzungsfragen bei denen ich möglicherweise helfen könne. Naiv Hilfsbereit wie man ist, macht man das ja gerne. Ein Blick über den Tellerrand schadet bekanntlich nicht, und da wir in Bayern keine Crews haben schadet es erst recht nicht ein wenig die Idee und die Mentalität hinter dem Crewsystem zu verstehen. Ich möchte meine Erkenntnisse hier in einem Mehrteiler sammeln, und so auch anderen interessierten Piraten zur Verfügung stellen. Da absehbar ist dass das ganze etwas umfangreicher wird, geht es in diesem Teil erstmal nur darum was das von mir vermutete Selbstverständnis hinter den NRW Crews und ihr Verhältnis zum LV NRW angeht.


Zunächst zu meinem Verständnis: Es liegt nicht an mir das Crew-System in NRW (oder auch anderen Landesverbänden) pauschal als 'gut' oder 'schlecht' zu bewerten, allerdings will ich nicht behaupten dass dieser persönliche Aufsatz meine persönliche Meinung ausblendet. Schon gar nicht ist es meine Aufgabe den NRW-Piraten vorzuschreiben wie ihre Welt geregelt sein soll. Allerdings lasse ich es mir nicht nehmen auf (von mir so empfundene) Mißstände in der mir eigenen, zynischen Art hinzuweisen. Daher: Weiterlesen auf eigene Gefahr.



Teil 1: Selbstverständnis NRW
Teil 2: Status der NRW-Crews


Wie erwartet ging also mein erster Blick in die Satzung des LV NRW. Und meine erste Überraschung war der Umfang. Die Satzung des LV Bayern kommt mit ~19.000 Wörtern aus, NRW hingegen benötigt ~51.000. Ok, NRW hat ja auch wesentlich mehr Mitglieder - öhm eine größere Fläche - äh mehr Einwohner als Bayern. Aber gut - eine umfangreiche Satzung sagt für sich alleine noch gar nichts aus.

Die Piratensatzungen haben viele Gemeinsamkeiten. Das kommt natürlich daher dass sie meistens voneinander kopiert werden. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass sich schnell Satzungen zusammenschustern lassen - ein Nachteil dass Änderungen sich nur langsam verbreiten. Und so gibt es in der Satzung NRW ein paar typische Lacher, die einem in jeder anderen Piratensatzung auch begegnen. Aber in NRW wurden auch für mich ein paar neue Lacher eingebaut. Darauf muss man zwar nicht zwingend herumreiten, aber in der Gesamtschau halte ich das durchaus für relevant. Beispiel gefällig?
§3 Abs 3 S 1 NRWS "Ein Eintritt in den Landesverband Nordrhein-Westfalen der Piratenpartei Deutschland ergibt automatisch eine Mitgliedschaft in der Bundespartei und unterliegt sowohl den in § 2, Abs. 1 ff. genannten Einschränkungen wie auch zukünftigen von der Piratenpartei Deutschland beschlossenen."

Also davon ab dass mein Sprachparser hier schon verrückt spielt (zukünftig beschlossenen - öhm Punkt..? Beschlossenen was? Backtracking... Ach, Einschränkungen.), und die Wirksamkeit dieser Formulierung debattierbar ist, ist auch die Formulierung "§2 Abs 1 fortfolgende" eine äußerst humorvolle Umschreibung von, naja, "§2" eben.
§4 Abs 10 S 1 NRWS "Jeder Pirat ist jederzeit zum sofortigen Austritt aus der Piratenpartei Deutschland berechtigt (Schriftform und Unterschrift erforderlich)."

Und zwar nicht nur schriftlich, sondern auch noch unterschrieben! Wer sieht damit eventuell ein Problem? Zumindest ich würde §10 Abs 2 S 3 PartG "Das Mitglied ist jederzeit zum sofortigen Austritt aus der Partei berechtigt." mit der bewusst doppelten Formulierung ("jederzeit", "sofortig") so auslegen, dass die Austrittshürde (unnötig starke Formerfordernis) hier wegen Verstoß gegen das Parteiengesetz unwirksam wäre. (Zur Verdeutlichung: Wäre eine Formerfordernis der notariellen Beurkundung des Austrittswunsches nach §128 BGB ebenfalls zulässig?)
Aber was hat denn jetzt bitte Satzungseloquenz mit den Crews in NRW zu tun? Noch etwas Geduld, wir kommen dazu. Überspringen wir mal die ganzen traurig-lustigen Teile und kommen an den Kern der Geschichte:
§7 Nr 2 NRWS "Folgende Organe besitzt der Landesverband Nordrhein-Westfalen: (..) der Landesvorstand (LVOR)"

§9 Abs 1 NRWS "Der Landesvorstand vertritt die Piratenpartei Landesverband Deutschland Nordrhein-Westfalen vor dem Bundesvorstand und führt die Geschäfte (..)."

...vertritt "vor dem Bundesvorstand"? Das ist eine höchst merkwürdige Formulierung, denn eigentlich ist ein Vorstand anders definiert. Mal weiter schauen.
§9 Abs 2 NRWS "Der Vorstand besteht aus mindestens 5 NRW-Piraten: Vorsitzender, 2. Vorsitzender, mindestens 2 Verwaltungspiraten, von denen einer als Finanzverantwortlicher gewählt wird, und politischer Geschäftsführer."

§9 Abs 6 S 2,3 NRWS "Die Sitzungen sind öffentlich für Jedermann. NRW-Piraten haben grundsätzlich Rederecht."

§9 Abs 7 S 1 NRWS "Der Landesvorstand entscheidet mit einfacher Mehrheit der anwesenden Vorstands-Piraten."

Allmählich zeichnet sich ein Bild ab. Diese Satzung ist eine typische Micromanagementsatzung. Jeder mögliche Fall wird vorgesehen, und unvorhergesehene Fälle werden in Zukunft hinzugefügt. Dass damit der Vorstand in der Handlungsfähigkeit beschränkt wird, wird entweder übersehen oder in Kauf genommen. Wenn alle Sitzungen per Definition öffentlich sind, können keine Personalfragen behandelt werden. Wenn grundsätzlich jeder Pirat Rederecht hat, dann können einige Wenige sämtliche Sitzungen stören. Wenn der Landesvorstand immer mit einfacher Mehrheit der Anwesenden beschließt, dann kann er nicht, dann DARF er nicht sich selbst höhere Quoren auferlegen*. Im LV Bayern ist zum Beispiel die Geschäftsordnung des Vorstands nur mit absoluter Mehrheit änderbar, Umlaufbeschlüsse erfordern ebenfalls eine absolute Mehrheit. In NRW zieht diese Formulierung schon allein die Möglichkeit von Umlaufbeschlüssen in Frage. ("der anwesenden", d.h. auch keine Vertretung zulässig?)
Sicherlich ist so eine Formulierung zulässig. Zumindest sagt sie viel über die Regelungswut den Regelungswillen des Satzungsgebers aus. Ob sie aber mit ihren Konsequenzen wünschenswert ist, ist eine andere Frage. Ein (ehrenamtlicher) Vorstand der nur per Zusammenkunft beschließen kann ist in jedem Falle träger als ein Vorstand der sich auch asynchron per E-Mail-Umlaufbeschluss einigen kann.

Und jetzt kommt das erste der beiden absoluten Highlights, die zum Verständnis des Crewsystems NRW zwingend begriffen sein müssen:
§9 Abs 8 NRWS "Die Aufgaben des Landesvorstandes sind in der Crewordnung definiert."

Der Landesvorstand ist kein Vorstand - zumindest soll er keiner sein. Der Landesvorstand ist eigentlich eine Crew. Eine besondere Crew, ja. Aber eigentlich ein primus inter pares, eine repräsentative Crew mit dem Namen 'Vorstand'. Die Crew eben, die NRW innerhalb der Partei gegenüber dem Bundesvorstand (§9 Abs 1 NRWS) vertritt. Deshalb ist es aus der Sicht des Satzungsgebers auch mehr als legitim dem Vorstand seine Arbeit genau vorzuschreiben. Ich würde Dir jetzt und hier eine Pause vorschlagen bis sich diese Erkenntnis gesetzt hat.

Dann folgt in der NRW-Satzung die Crewordnung, und auch hier gibt es spannende - nach der letzten Erkenntnis aber wenig überraschende - Klauseln:
§2 Abs 1 NRWCrewO "Crew-Treffen sind grundsätzlich öffentlich abzuhalten. Gäste sind dabei grundsätzlich erwünscht."

"Grundsätzlich" bedeutet für den Juristen nichts anderes als "regelmäßig", sprich es gibt Ausnahmen. Sekunde, - der Vorstand tagt ausnahmslos öffentlich (§9 Abs 6 S 2 NRWS), Crews aber nicht? Korrekt verstanden. Crews haben in dieser Hinsicht sogar mehr Rechte - oder wie ich sagen würde: mehr Handlungsfreiheit - als der Vorstand.
Exkurs: Das Recht der nicht-öffentlichen Tagung könnte zwar auch für Klüngelei mißbraucht werden, aber wer wirklich klüngeln will kündigt seine Sitzungen einfach nicht an - duh. Andererseits braucht der Vorstand die Möglichkeit sich nichtöffentlich zusammensetzen zu können, beispielsweise für Personalfragen (gut, sind wir bis auf Bundesebene vermutlich zu klein), Schiedsgerichtsfälle, und andere Gelegenheiten die sich eventuell spontan auftun können. Deshalb spreche ich von Handlungsfreiheit. Wenn die einzigen Alternativen die Nichtbehandlung, das Ausbreiten aller Dinge in der Öffentlichkeit oder die Umgehung der Vorschrift ist, dann ist die Vorschrift wirklichkeitsfremd. Die Protokollnotiz dass eine nichtöffentliche Sitzung zum Thema X stattgefunden hat ist allemal besser als keine Notiz. Eine Überreglementierung ist hier daher eher schädlich denn nützlich.

Und was sich bereits im VorstandsCrew-Alltag wiederspiegelt, gilt natürlich auch für finanzielle Aspekte - und das ist das zweite Highlight des heutigen Abends:
§1 Abs 7 NRWCrewO "Jede Piraten-Crew verfügt über ein eigenes Budget, welches durch die Finanzordnung geregelt wird."

§4 Abs 1 NRWFinanzO "Jede Crew, AG, PG und der Vorstand entscheiden eigenständig über die Ausgabe der Finanzmittel auf ihrem virtuellen Konto. Die Entscheidung ist den Verwaltungspiraten mitzuteilen."

§4 Abs 3 S 1 NRWFinanzO "Der Vorstand kann einstimmig eine Ausgabe verhindern, wenn diese den Bestimmungen des Parteiengesetzes widerspricht."

§6 Abs 2 S 1 NRWFinanzO "Der Landesparteitag entscheidet ebenfalls über die Zuteilung eines einmaligen oder monatlichen Betrages an den Vorstand."

§6 Abs 4 NRWFinanzO "Die freien Finanzmittel werden zu Beginn jeden Monats gleich auf die verbleibenden Monate des Geschäftsjahres aufgeteilt. Einer dieser Teile wird wiederum zu gleichen Teilen auf alle Crews aufgeteilt und ihren jeweiligen virtuellen Konten gutgeschrieben."

Sprich, der Vorstand wird vom Landesparteitag mit einem Budget ausgestattet. Überschüssiges Geld wird auf Crews aufgeteilt. Crews stehen finanziell besser da als der Vorstand, da sie zusätzlich von unvorhergesehenen Mehreinnahmen profitieren. Crews geben nach eigenem Beschluss im Namen des Landesverbands Geld aus. Dem Vorstand wird hier immerhin ein unglaublich schwaches Veto-Recht eingeräumt, allerdings auch nur für den Fall dass die Ausgabe dem Parteiengesetz widerspricht. Sprich wenn sich eine Crew aus ihrem Budget ein Aquarium, einen Hai und einen Laser (zur Montage auf letzterem) leisten kann und will, und die erforderlichen Kompetenzen besitzt - dann ist das durch, da Tierhaltung nicht dem Parteiengesetz widerspricht. Krasser gesprochen: Kauft die Crew 'Pflastersteine Ade' sich leere Flaschen, Benzin, Lappen und Piratenfeuerzeuge dann soll das ebenfalls ohne Einspruchmöglichkeit abgesegnet sein.

Zusammenfassend lässt sich soweit sagen: Der Satzungsgeber des LV NRW hat sehr viel Spaß mit Detailregulation. Davon ab wünscht er sich verhältnismäßig starke Crews, die formal zwar hinter (nicht: unter) einer Crew namens 'Vorstand' stehen sollen, aber faktisch weiterreichende Befugnisse haben soll als dieser.
Für den nächsten Teil, der auf die aktuellen Probleme in NRW sowie die Wahl eines Lösungsweges aus jenen Problemen eingehen soll, wird dieses Verständnis eine große Rolle spielen.

*Zu diesem Punkt gab es den berechtigten Einwand von einfachBen dass die Geschäftsordnung des Vorstands nach dem Wortlaut des §15 PartG ohnehin keine Gestaltungsfreiheit bezüglich des Abstimmungsquorums lässt. Entsprechende Passagen in den Geschäftsordnungen hätte damit lediglich symbolische Wirkung, in unserem Falle quasi als Absichtserklärung die Geschäftsordnung als (marginal) höheres Gut zu werten. Ob diese Ansicht korrekt ist und der Wortlaut des §15 PartG mit der Auslegung desselben nach Maßgabe des Art 21 Abs 1 S 3 GG übereinstimmt, oder ob diese Einschränkung ein zu großer Eingriff in die Selbstbestimmungsrechte des Organs darstellt sei für heute dahingestellt, denn es tut an dieser Stelle nichts zur Sache.


Teil 1: Selbstverständnis NRW
Teil 2: Status der NRW-Crews

5 Kommentare:

  1. Ich glaube fast, dass sich das Problem der Crewordnung nur mit einem kompletten Neustart der NRW-Satzung lösen läßt...

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  2. Einen Teil dieser Probleme habe ich auch bereits in meinem Blog erörtert und versucht, Lösungsansätze zu formulieren. Ich bin sehr gespannt auf den zweiten Teil dieses Beitrags und ich freue mich auf neue Perspektiven!

    Mit dem Begriff »Kaltstart« der Satzung kann ich mich allerdings nicht anfreunden. Diesen sollte man erst anführen, wenn man auch eine neue Satzung vorliegen hat, die als Diskussionsgrundlage dienen kann. Anders spricht nämlich nichts dagegen, die aktuelle Satzung zu verbessern – ganz gleich nach welchen Vorgaben oder mit welcher Zielführung. Denn auch daran muss man eine neue Satzung erstmal ausrichten und solange keine Einigkeit über die Ziele besteht, …

    Die Crewordnung braucht auch nicht aus der Satzung herausgelöst zu werden; im Gegenteil: Damit Crews die Möglichkeit behalten das Verwaltungsgremium bzgl. abzuschließender Verträge anzuweisen, muss die Satzung wenigstens jene Teile des Crewsystems abdecken und passend regeln.

    Ferner kann ich einfach nicht nachvollziehen, woher einige Personen die Überzeugung nehmen, »ganz neu« starten zu wollen. Man muss sich immer die Frage stellen, was sinnvoller ist. Jetzt die Satzung an den wichtigsten Stellen zu fixen oder gleich eine neue zu schreiben, die dann auch noch eine Mehrheit finden soll. Undenkbar, jedenfalls kaum zu schaffen bis zum nächsten LPT.

    Insbesondere die Überregulierungen, die ich ebenfalls als Problem betrachte, machen es schwer, konsensfähige Änderungen zu finden. Hier muss ein Großteil der Regularien wegfallen und durch allgemeine Formulierungen ersetzt werden. Das Crewsystem auch für nicht in Crews organisierte Piraten zu öffnen ist ein weiterer großer Meilenstein auf dem Weg zur Verbesserung des Systems.

    Im Übrigen glaube ich auch nicht, dass die Einführung von Kreisverbänden an dem 31. Juli 2010 ein besonderes Problem darstellt. Die Aufteilung der Gelder funktioniert doch nach dem in § 6 Ⅳ (NRW) geregelten Verteilungsschlüssel. Nur die Gelder des Landesverbandes werden nach § 6 Ⅳ FO (NRW) auf die Crews aufgeteilt. Die Kreisverbände regeln alle sonstigen Angelegenheiten selbst in ihrer eigenen Satzung.

    Konsensentscheidungen sind außerdem nicht widersprüchlich zum Parteiengesetz. § 15 (und die auf den Mailinglisten umhergeisternden Kommentare dazu) hat Organe der Partei zum Gegenstand. Hier findet die politische Willensbildung statt; auf dem LPT wird etwa eine Programmänderung beschlossen. Hier einen Konsens zu fordern wäre ein Verstoß gegen das PartG. Doch Crews sind keine Organe und sie dienen nicht der politischen Willensbildung – sie sollen die Basis organisieren und ihre Teilnahme an der politischen Arbeit vereinfachen. Allenfalls Arbeitskreise dienen – laut Satzung – der politischen Willensbildung (§ 10 Ⅰ CO (NRW); wird von »Diskussion und Erarbeitung von politischen Positionen und Aussagen der Piratenpartei« abgeleitet), sind aber auch keine Organe i. S. d. § 8 Ⅱ PartG und nehmen ebenso wenig direkten Einfluss, denn ein Organ entscheidet schlußendlich über die Ergebnisse der Arbeit.

    Ich weiß jedenfalls: Ohne Crewsystem oder eine brauchbare Alternative würde ich die Partei verlassen.

    Der Crewnazi

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  3. Hallo Crewnazi,
    dein Blog ist mir bekannt, und ich wollte/werde im weiteren Verlauf auch auf deine Posts eingehen. Ob ein 'Wir fangen von 0 neu an' sinnvoll ist, oder nicht - ich persönlich zweifle da auch etwas. Zumindest ist vorher einiges zu klären was die Absicht, den Sinn hinter der Struktur angeht. Um dann die Struktur auch so aufzubauen dass die gewünschten Ziele auch erreicht werden können. Ich bin auch der Meinung dass Crews funktionieren können, auch wenn ich persönlich - einfach bedingt durch meine Heimat im Crewlosen Bayern - kein Vertreter des Crewsystems bin. [posted by: Anthem]

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  4. Dann werde ich die Vorteile des Crewsystems und die Ideen dahinter, so wie ich sie wahrnehme, demnächst erläutern. Das hatte ich sowieso schon viel früher vorgesehen. Ich hatte jemand anderem auch bereits einen Artikel über eine »Entschlackung« versprochen. Ich kombiniere das – auch eine Art von »Neustart« – und könnte dabei sogar produktiv sein :-)

    Der Crewnazi

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  5. Flickenteppich

    Das denke ich auch. Die Grundidee der Crews, so wie sie mir bei meinem Eintritt vermittelt wurde:

    größtmögliche Transparenz
    kleine, flexible Gruppen, die zeitnah Aktionen o.Ä. machen können
    Konsensentscheidungen innerhalb dieser Gruppen, damit Minderheitsmeinungen nicht "überklüngelt", sondern ausdiskutiert werden
    Innerhalb des gesetzlichen Rahmens Finanz-Autarkie der Crews

    Wie der Autor aber schon korrekt festgestellt hat, sorgt die Regelungswut dazu, dass diese eigentlich guten Ideen sich in der Praxis teilweise ins Gegenteil kehren:

    Transparenz ist theoretisch gegeben, dezentrale Informationsflut erleichtert das Auffinden von Informationen aber nicht sehr
    Die Flexibilität der Crews wird durch die Überregulierung mittels Satzung ad absurdum geführt
    Die Konsensentscheidungen stehen eigentlich im Konflikt mit dem Parteiengesetz, so gut sie auch gemeint sein mögen
    Faktisch besteht keine Finanz-Autarkie, Piraten-Crews warten zum Teil Monate auf simple Dinge wie die Einrichtung eines Postfachs vor

    Ort. Tatsächlich muss der Landesschatzmeister sich um die Unterzeichnung aller Verträge kümmern und die Auszahlung vornehmen, da die Crews nur über ein virtuelles Konto verfügen. Die resultierende Überlastung und fehlenden IT-Schnittstellen sorgen auch noch dafür, dass die meisten Crews nicht mal wissen, wieviel Geld sie tatsächlich haben. Finanzentscheidungen zu treffen ist daher nicht gerade leicht.

    Der Verteilungsschlüssel für die Finanzen hat dabei noch das Problem, dass wie im Artikel beschrieben der Vorstand quasi keinen Zugriff auf Gelder hat. Er muss auf den LMVs genauso wie alle anderen Gruppen die Geld wollen, bestimmte Beträge beantragen. In der Regel läuft das auf ein Verwaltungsbudget für Briefe und ggf. juristische Sachen hinaus. Da die restlichen Finanzen pauschal für die Crews geblockt sind, hat der Vorstand beispielsweise kaum Spielraum, eine evtl. nötig werdende zusätzliche LMV zu finanzieren. Auch AGs oder PGs, die kurz- bis mittelfristig Ausgaben für besondere Aktionen auf dem Plan stehen haben, sind zwangsläufig daran gebunden, Anträge auf den LMVs zu stellen, die allenfalls aus purem Zufall zeitlich günstig liegen könnten.

    Unsere Finanzordnung hat daher das zentrale Problem, dass sie unabhängig vom tatsächlichen Bedarf den Großteil der Gelder pauschal blockt und so genau der Flexibilität entgegen steht, die wir eigentlich wollten.
    Ein weiteres Problem ist das Festhalten der Crewordnung innerhalb der Satzung. Wie solche Praxisbeispiele zeigen, sind Crews immer noch ein experimentelles Produkt, deren gut gemeinte Regularien im Praxistest ins Gegenteil umschlagen können. Die Definition der Crewordnung in der Satzung macht jedoch für jede Änderung eine 2/3 Mehrheit auf einer LMV notwendig, wodurch das eigentlich flexibel gedachte System unglaublich schwerfällig wird. Gerade jetzt, wo bestimmte Kommunen eine Piratendichte erreicht haben, die Kreisverbände als sinnvoller erscheinen lassen, gerät die mit Kreisverbänden inkompatible Crew- und Finanzordnung völlig aus den Fugen. Kurzfristige Patches sind mit dem derzeitigen System aber nicht möglich.
    Bei dem Crewsystem der JuPis funktioniert das besser: Auch hier gibt es eine verbindliche Crewordnung, diese ist jedoch nicht Teil der Satzung, sondern wird vom Vorstand festgelegt. Damit können Bugs in diesem experimentellen Konstrukt auch relativ easy gepatcht werden.

    In NRW entsteht gerade jedoch ein satzungstechnischer Flickenteppich durch das Hinzukommen von Kreisverbänden, die in das derzeitige Gefüge aus Finanz- und Crewordnung nicht hinein passen. Ich denke auch, dass nur eine komplette Neukonzeption der gesamten Satzung den Knoten lösen kann, der im Moment viele in NRW nahezu handlungsunfähig macht und in Folge dessen nur für interne Streitereien sorgt.

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