Donnerstag, 2. August 2012

Antrag auf Mitgliederdaten

Ich habe eben beim Bundesvorstand folgenden Antrag eingeworfen:

Hallo lieber Bundesvorstand.

Ich bitte um eine Kopie des aktuellen Mitgliederverzeichnisses, um einen
Satzungsänderungsantrag nach §12 Abs 1 Satz 2 Bundessatzung organisieren
zu können.

Hierzu benötige ich von sämtlichen Mitgliedern
- Vorname
- Name
- Adresse (Straße, Postleitzahl, Ort)
sowie, soweit vorhanden,
- E-Mail-Adresse

Auch nichtzahlende Mitglieder sollen eingeschlossen sein, da ich diese
ggf. zu einer Zahlung überreden kann.

Die Rechtsgrundlage ist unter anderem dem Rechtsgutachten der JBB
Rechtsanwälte zum Klarnamen-Liquid zu entnehmen (Seite 14 Absatz 2):
"Insbesondere besteht anerkanntermaßen ein Anspruch der
Parteimitglieder auf Offenlegung der Mitgliederlisten {Klein, in:
Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 64. Ergänzungslieferung 2012,
Art. 21 Rn 330; Waldner/Wörle-Himmel,\n: Sauter/Schweyer/Waldner, Der
eingetragene Verein, 19. Auflage 2010, Erster Teil, Darstellung des
Vereinsrechts, Rn. 336). Das ergibt sich einerseits aus § 28 Abs. 9
S. 3 BDSG, der nur die Übermittlung der nach § 28 Abs. 9 BDSG
verarbeiteten Daten an Personen oder Stellen außerhalb der Partei von
der Einwilligung des Betroffenen abhängig macht."
http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/6/6d/LQFB_Neuausrichtung_LV_Berlin_-_Anfrage_an_die_DS_Aufsichtsbeh%C3%B6rde_-_2012-7-31.pdf
Zumindest vom Landesverband Berlin wird diese Auffassung nicht bestritten.

Ich bitte um Zusendung in einem leicht weiterzuverarbeitenden CSV- oder
XML-Format bis zum 16.08.2012.

Mit freundlichen Grüßen,
Markus Gerstel

(Eine Herausgabe an einen Treuhänder genügt übrigens nicht, und ja, ich darf die Mitgliederliste auch elektronisch verlangen. Quelle)

Ziele und Nicht-Ziele des Antrags sind hoffentlich offensichtlich und selbsterklärend.

Der LV Berlin sieht jedenfalls scheinbar keine bedeutenden Probleme Mitgliederdaten herauszugeben. Frühere Bundesvorstände vertraten da eine leicht vollständig gegenteilige Auffassung - auch für die Herausgabe an Mitglieder. Mal sehen was der aktuelle BuVo dazu so meint.

Und wenn das Ende vom Lied ist, dass der Bundesvorstand empfiehlt den Mitgliedern einer Herausgabe der Mitgliederdaten explizit auch in solchen Fällen zu widersprechen (was rechtlich möglich, aber vermutlich in der Mitgliederverwaltung aktuell nicht vorgesehen ist), und eine entsprechende Klausel ihren Weg in den Mitgliederantrag findet (hier anklicken um...), dann wäre das doch auch ein schönes Ergebnis.


Nachtrag

So akademisch wie es aussieht, ist das Thema übrigens nicht: Dem LV NDS lag bereits ein entsprechender Antrag vor, und er wurde vom dortigen Vorstand abgelehnt. Ob der Antrag dort in die Verlängerung geht ist mir gegenwärtig nicht bekannt.

Damit ist der aktuelle Stand: Ein Landesverband Pro, ein Landesverband Contra.

Offene Fragen: Was macht der Bundesverband? Was unternimmt NDS um Mitgliederdaten zu schützen, für den Fall dass das Teil in die offizielle Verlängerung geht?

Nachtrag 2 (23.08.2012)

Der Bundesvorstand hat den Antrag abgelehnt. Es gibt folgende Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten der Partei:
Dieser Antrag ist abzulehnen, da eine Herausgabe von Mitgliedsdaten
nur bei Verweigerung der Umsetzung der Minderheitenrechte nach § 37
BGB nach einer entspr. gerichtlichen Verfügung gerechtfertigt wäre.
Und dann auch nur unter Auflagen, die es als genügend sicher
erscheinen lassen, dass die Daten nur für diesen Zweck einmalig
verwendet werden.

Die angebotenen "Zitate" aus der Rechtsliteratur halte ich für nicht
vereinbar mit den Schutzrechten der Mitglieder insbes. nach § 3 Abs. 9
BDSG.

Das Zitat zu Sauter Rn. 330 bezieht sich auf eingetragene Vereine.
Hier besteht idR eben kein Bedarf daran, dass die Mitglieder anonym
bleiben wollen, zB sind Mitgliedslisten in Vereinen die Regel. Dies
ist bei Parteien anders, da die Mitgliedschaft in einer Partei ein
besonders schützenwertes Datum ist. Mir ist auch keine Partei bekannt,
die Mitgliederlisten verteilt.

Morlok Rn 112 sieht zB nur die eine Veröffentlichung von Namen der
Vorstandsmitglieder vor, da die Öffentlichkeit ein Anrecht darauf habe
zu wissen, mit wem sie es zu habe.

Das Gutachten der JBB-Kanzlei ist für mich ohne Relevanz, da es mMn
eine Mindermeinung vertritt und keinesfalls eine ausführliche
rechtliche Würdigung erlangt hat.

Im Übrigen ist der Zweck nach § 28 BDSG leicht durch organisatorische
Maßnahmen zu erfüllen, einer Herausgabe der Daten bedarf es dazu
nicht. Auf §43 BDSG weise ich ausdrücklich hin.

Mit freundlichen Grüßen

Piratenpartei Deutschland
Datenschutzbeauftragter
Die Einschätzungen des Datenschutzbeauftragten sind zwar an verschiedenen Stellen fehlerhaft (beispielsweise sind Parteien auch nur besondere Vereine, die von JBB vertretene Meinung hingegen gerade keine Mindermeinung - dann wäre die ganze Debatte ja nur akademisch - sondern bestenfalls strittig. vgl. BeckOK GG Art. 21 Rn 143; Maunz/Dürig, GG Art 21 Rn 330), aber stimmen meiner Meinung nach im Ergebnis.

Als Reaktionen auf den Antrag und den Blogbeitrag wurde mir zugetragen, dass auch der Landesverband Thüringen einen Antrag auf teilweise Herausgabe der Mitgliederlisten bekommen hat. Das Ergebnis: Antrag abgelehnt. Eine ähnliche Anfrage hat der Landesverband Hessen ebenfalls erfolgreich abgeblockt.

Das Ziel meines Antrags jedenfalls wurde erreicht: Der aktuelle Bundesvorstand hat klar Stellung bezogen und hat mit der obigen Stellungnahme auch den Landesverbänden eine Referenz an die Hand gegeben, die sie zukünftigen Antragstellern vor den Latz knallen können.

Sollte so ein Fall dann mal vor ein Schiedsgericht wandern, kann die Argumentation aus NVwZ 1993, 1127 (Beschluß des CDU-Bundesparteigerichts vom 07.09.1992) eine hilfreiche Prüfungsvorlage sein. Bis dahin gilt: Die Mitgliederdatenbank ist voll, aber zu. Adress-Sammler müssen leider draußen bleiben.

4 Kommentare:

  1. Das Ziel ist nicht so wirklich offensichtlich außer Parteiinterne Stellen mit einem Problem des BDSG zu nerven.

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  2. Und wo steht, dass eine Partei unter Vereinsrecht fällt?

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    1. Die Piratenpartei Deutschland ist ein nicht rechtsfähiger Verein nach § 54 BGB. Wenn du es lieber aus dem Parteiengesetz hören willst, dann musst du § 37 PartG lesen. Auch wenn man von dort dann einen gedanklichen Umkehrschluss vollziehen muss.

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  3. Leider konnte ich mich als zuständiges Vorstandsmitglied nicht ausreichend auf den Antrag vorbereiten (Urlaub), sonst hätte ich sicherlich noch nachgefragt.

    Meine Anfrage an Rechtsabteilung, die dann vom BDSB beantwortet wurde, hat ja nun hoffentlich Klarheit in die Sache gebracht.

    Aber das nächste Mal kannst du bitte auch im Vorfeld die Hintergründe solcher Anträge klar an mich richten. Dann hätte es nicht diese Verzögerung der Klarstellung mit Rechtshintergrund gegeben ;)

    Gruß
    Sven

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