Angesichts fallender Umfrageergebnisse, sinkender Moral bei den verbliebenen Restwählern und in den eigenen Reihen muss die FDP dringend ihre Leute wieder zusammensammeln und aufbauen. Um das Selbstvertrauen zu stärken, bietet es sich an, eine Halbzeitbilanz der aktuellen Bundesregierung zu ziehen. (Obwohl die Frage, ob man die Halbzeit nicht schon längst überschritten habe, angesichts der Koalitionsstabilität gerechtfertigt ist.)
Die FDP Bayern verbreitete daher heute frohe Kunde:
Das schaue ich mir natürlich gerne an. Ein kurzer Blick in die Halbzeitbilanz, und ich bleibe auf Seite 7 hängen:
Man liest "haben wir die Neuverschuldung um mehr als 50% gegenüber dem Plan des ehemaligen SPD-Finanzministers Peer Steinbrück reduziert". In meinem Kopf bildet sich ein kleines Fragezeichen. Rein sprachlich finde ich die Formulierung "um mehr als 50% reduziert" merkwürdig. Erst auf den zweiten Blick sehe ich "(..) die Neuverschuldung 2012 (..)". Liebe FDP: Wenn einer der größten Erfolge (ist schließlich nach "Stabilisierung des Euro" der zweite Punkt in eurer Broschüre - und wir wissen alle wie gut ihr das aktuell hinbekommt) eurer bisherigen Regierungszeit ist, eine hypothetische Prognose, abgegeben vor Eurokrise und Bankenbailout, durch eine andere, noch unrealistischere Prognose zu ersetzen - dann fehlen mir ehrlich gesagt echt die Worte. Dann solltet ihr darüber nachdenken ob ihr die 2% bundesweite Wahlprognose überhaupt verdient habt.
Da hilft nur energisches umblättern. Doch schon auf Seite 9 habt ihr den Kontakt zur Realität vollends verloren:
Hier ist nun alles falsch, was nur falsch sein kann. Ersteinmal stellt ihr zukünftige Ergebnisse bereits als Realität hin. Für 2011, 2012 und 2013 gibt es (wie auch) keine gesicherten Zahlen. Ihr erweckt aber dank Überschrift und Legende der Statistik sowie im Fließtext den Anschein, dass hier nicht zwei Prognosen miteinander konkurrieren, sondern ihr in der die Realität irgendetwas erreicht habt. Im Text schreibt ihr sogar "Die Neuverschuldung haben wir (..) halbiert".
Wenn in der Statistik schon so viel hingeschummelt ist, dann möchte man es doch auch genauer wissen. Zufällig gibt es im Internet auch Informationen über die tatsächliche Staatsneuverschuldung 2010. Insbesondere aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes geht aus dem 3. Absatz hervor: "Beim Bund erhöhten sich die Schulden am 31. Dezember 2010 gegenüber dem 31. Dezember 2009 um 21,9% (+ 230,3 Milliarden Euro) auf rund 1 284,1 Milliarden Euro."
Ich darf dann mal eure Broschüre korrigieren:
Herzlichen Glückwunsch, liebe FDP. Ihr habt nicht nur erfundene Zahlen beschönigt, sondern auch bestehende Zahlen gefälscht. Ob es euch hilft, euch irgendwelche Erfolge selbst vorzulügen, sei dahingestellt. Ich wünsche euch für die Zukunft viel Glück, und für die nächsten Bundestagswahlen bekommt ihr hoffentlich so wenige Stimmen, dass ihr aus der Parteienfinanzierung rausfallt. Denn Geld kann man euch nicht anvertrauen.
Mittwoch, 28. September 2011
Samstag, 24. September 2011
Zum Ethikurteil
Der Humanistische Pressedienst schreibt zu einem Urteil des VG Freiburg, und Twitter schreit Zeter und Mordio.
Es ist nicht unmöglich auf Basis der Verfassung Anspruchsgrundlagen zu formulieren, aber es ist auch nicht so einfach. Aus gutem Grund. Einer der möglichen Anspruchsgrundlagen ist, wie hier auch angeführt, zum Beispiel Art 3 GG, der Gleichberechtigungsgrundsatz. Dazu bräuchte man eine ungerechtfertigte Benachteiligung, z.B. fehlenden Zugang zu der ethisch-moralischen Bildung innerhalb des Religionsunterrichts, dessen Besuch ja mit einem unzulässigen Eingriff in die Religionsfreiheit verbunden wäre. Insoweit stimmt die Logik der Klägerin.
Was stellt jetzt aber das Gericht fest?
Das Gericht sagt euch also ins Gesicht, dass der Religionsunterricht kein relevanter Teil der ethisch-moralischen Bildung in der Schule ist. Stattdessen geht es um die Vermittlung der Glaubenssätze als Wahrheit. Und Humanisten regen sich jetzt über diese Erkenntnis auf?
Ihr habt jetzt von einem Gericht gehört, dass der Religionsunterricht ethisch-moralisch irrelevant ist. Was bitte wollt ihr mehr? Wenn der Religionsunterricht kein relevanter Teil der ethisch-moralischen Bildung ist, dann gibt es auch keinen fehlenden Zugang zur ethisch-moralischen Bildung, keine Ungleichbehandlung und damit natürlich auch keine Anspruchsgrundlage.
Wenn ihr jetzt aus dem nicht-hingehen zum Religionsunterricht aus nicht-religiösen Gründen ein Recht auf einen Alternativunterricht herausklagen wollt:
Dann seid euch bitte im Klaren, dass als nächstes der nette Herr Kreationist ums Eck biegt, und sagt:
Nachtrag: "Das VG sagt der Religionsunterricht ist verfassungsrechtlich privilegiert. WTF?" (Quelle: Twitter)
Ja. Und da hat es recht. Das ist eine reine faktische Aussage. Und da kann auch der VGH nichts dran reißen. Und das BVerfG genausowenig. Wenn dich das ankäst, dann musst du nicht über Gerichte lästern, sondern das Grundgesetz ändern. Ich empfehle vor der Ausarbeitung eines entsprechenden Programmvorschlags für deine Lieblingspartei die Lektüre eines einschlägigen Grundgesetzkommentars zu Artikel 7.
Was ist passiert?
An einer Freiburger Grundschule forderte eine Mutter die Einrichtung eines Ethikunterrichts für ihre zwei Söhne. Am Religionsunterricht nahmen die Kinder nicht teil. Zeitweise war eine Philosophie-AG an der Schule eingerichtet worden, für den die Eltern der Teilnehmer einen Betrag von 120 Euro pro Schuljahr bezahlen mussten. Die Klägerin war der Auffassung, dass für einen Ethikunterricht zur ethisch-moralischen Bildung ihrer Kinder ein verfassungsrechtlicher Anspruch existiert. Dieser müsste im Verhältnis zum Religionsunterricht in gleichberechtigter Weise für Kinder konfessionsfreier Eltern gewährleistet werden, damit die Heranwachsenden pädagogisch nicht benachteiligt werden. Das Ministerium lehnte die Forderung ab. Mitte April wurde dagegen Klage beim Verwaltungsgericht Freiburg eingereicht, die vor selbigen nun abgelehnt wurde. (Quelle: hpd, ergänzt, umformuliert & gekürzt)Und warum geht die Welt jetzt nicht unter?
Zunächst: Die Klage basiert, soweit erkennbar, auf verfassungsrechtlichen Ansprüchen. Die ja so oft zitierten Grundrechte sind aber primär Abwehrrechte gegen den Staat, und keine Anspruchsgrundlagen gegen den Staat. Der Art 5 I 1 GG sagt z.B. dass du deine Meinung äussern darfst, aber:Allerdings sind hier von allem Anfang an einige fundamentale Einschränkungen zu machen: Art. 5 I Satz 1 gewährleistet zwar das Recht, „sich hören zu lassen“, d.h. er verhindert es, daß der Staat den seine Meinung äußernden Einzelnen von seinem Auditorium abschneidet, aber er gibt diesem Einzelnen nicht etwa ein Recht darauf, von jedermann oder auch nur von bestimmten Einzelpersonen gehört zu werden. (..) Der Staat ist durch Art. 5 I Satz 1 auch nicht verpflichtet, demjenigen, der sich hören lassen will, ein Auditorium zu schaffen; insoweit ist Art. 5 I Satz 1 ein bloßes Abwehrrecht im klassischen Sinne. -- Maunz/Dürig, GG 62.EL, Art 5 Rn 60f
Es ist nicht unmöglich auf Basis der Verfassung Anspruchsgrundlagen zu formulieren, aber es ist auch nicht so einfach. Aus gutem Grund. Einer der möglichen Anspruchsgrundlagen ist, wie hier auch angeführt, zum Beispiel Art 3 GG, der Gleichberechtigungsgrundsatz. Dazu bräuchte man eine ungerechtfertigte Benachteiligung, z.B. fehlenden Zugang zu der ethisch-moralischen Bildung innerhalb des Religionsunterrichts, dessen Besuch ja mit einem unzulässigen Eingriff in die Religionsfreiheit verbunden wäre. Insoweit stimmt die Logik der Klägerin.
Was stellt jetzt aber das Gericht fest?
Vorher werde, so meinten die Richter, die „moralisch-ethische Orientierung fächerübergreifend geleistet“ und sie verwiesen unter anderem auf den Geschichts-, Biologie- und Deutschunterricht. „Hinzu kommt, dass ethische Werte und Grundsätze auch im Rahmen des sozialen Miteinanders innerhalb des Klassenverbands vermittelt werden.
„Gegenstand des Religionsunterrichts ist der Bekenntnisinhalt, nämlich die Glaubenssätze der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Diese als bestehende Wahrheiten zu vermitteln, ist seine Aufgabe.“ Für Erziehungsberechtigte, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, sei daraus kein Anspruch auf einen Ethikuntericht für ihre die Grundschule besuchenden Kinder geltend zu machen. (Quelle: hpd, gekürzt)
Das Gericht sagt euch also ins Gesicht, dass der Religionsunterricht kein relevanter Teil der ethisch-moralischen Bildung in der Schule ist. Stattdessen geht es um die Vermittlung der Glaubenssätze als Wahrheit. Und Humanisten regen sich jetzt über diese Erkenntnis auf?
Ihr habt jetzt von einem Gericht gehört, dass der Religionsunterricht ethisch-moralisch irrelevant ist. Was bitte wollt ihr mehr? Wenn der Religionsunterricht kein relevanter Teil der ethisch-moralischen Bildung ist, dann gibt es auch keinen fehlenden Zugang zur ethisch-moralischen Bildung, keine Ungleichbehandlung und damit natürlich auch keine Anspruchsgrundlage.
Wenn ihr jetzt aus dem nicht-hingehen zum Religionsunterricht aus nicht-religiösen Gründen ein Recht auf einen Alternativunterricht herausklagen wollt:
Guten Tag mein lieber VGH Bawü. Meine Söhne dürfen aus nicht-religiösen Gründen nicht am Religionsunterricht teilnehmen. Aber damit werden sie von ihrem Recht beschnitten, eine ethisch-moralische Ausbildung zu erhalten. Der restliche Unterricht ist ganz niedlich, aber er enthält ja diese Wertvorstellungen nicht, deshalb haben meine Söhne Anrecht auf einen Ethikunterricht, der die korrekten Lehrinhalte enthält. (Quelle: Folgeklage am VGH)
Dann seid euch bitte im Klaren, dass als nächstes der nette Herr Kreationist ums Eck biegt, und sagt:
Guten Tag mein liebes VG Freiburg. Mein Sohn darf aus religiösen Gründen nicht am Biologieunterricht teilnehmen. Aber damit wird er von seinem Recht beschnitten, zu erfahren, dass Gott vor 6000 Jahren die ganzen Fossilien in der Erde versteckt hat, um die heutigen Biologen zu foppen. Der Religionsunterricht ist ganz niedlich, aber er enthält ja diese Wertvorstellungen nicht, deshalb hat mein Sohn Anrecht auf einen Kreationismusunterricht, der die korrekte biologische Lehre vertritt. Und übrigens gibts da dieses Urteil vom VGH, ... (Quelle: Netter Kreationist)
Nachtrag: "Das VG sagt der Religionsunterricht ist verfassungsrechtlich privilegiert. WTF?" (Quelle: Twitter)
Ja. Und da hat es recht. Das ist eine reine faktische Aussage. Und da kann auch der VGH nichts dran reißen. Und das BVerfG genausowenig. Wenn dich das ankäst, dann musst du nicht über Gerichte lästern, sondern das Grundgesetz ändern. Ich empfehle vor der Ausarbeitung eines entsprechenden Programmvorschlags für deine Lieblingspartei die Lektüre eines einschlägigen Grundgesetzkommentars zu Artikel 7.
Abonnieren
Posts (Atom)