Ich konnte es kaum glauben als ich am Montag morgen gewohnheitsmäßig durch die News klickte. Da erzählte doch scheinbar tatsächlich am Vorabend ein Mitglied des Europäischen Parlaments
was er so an der Universität Oxford gelernt hat: Nämlich dass es dort völlig normal sei die Formulierungen von anderen Leuten wortwörtlich zu übernehmen oder auch ein wenig umzuformulieren, Quelle dran, passt schon. Diese Zitatweise nennt man "intertextualisieren". Dass damit nicht mehr erkennbar ist, welcher Teil der Arbeit von wem entstanden ist, oder wessen Gedanken man eigentlich gerade als Leser so vor sich hat - das ist niederer Detailkram, mit dem sich eine Eliteuniversität wie Oxford selbstverständlich nicht beschäftigen muss. Das macht man vielleicht so in Bayreuth, aber nicht in Bonn, und schon gar nicht in Oxford.
"Kleingedrucktes" - Markus Gerstel - CC BY 3.0 Ich fand diesen Vortrag recht interessant. Mir war das nämlich alles neu. Was ein wenig verwundernswert ist, da ich insgesamt schon zwei Jahre in Oxford verbracht habe und noch ein paar weitere vor mir habe. Ich kann mich zwar vage an diverse Hinweise erinnern, insbesondere gab man uns zu Beginn zwei kleine Büchlein, insgesamt ca 1250 Seiten. Den Abschnitt über Intertextualisierung muss ich wohl übersehen haben. Mein College und mein Department wussten zwar dass Plagiate gar nicht gehen, und schicken auch regelmäßig entsprechende Rundmails, aber die 'Intertextualisierung' kannten sie nicht. Also habe ich meinen Research Supervisor gefragt. Doch auch sie hatte offensichtlich von Oxford keine Ahnung, denn mit 'Intertextualisierung' wusste auch sie nichts anzufangen. Gut, sie lehrt dort auch erst seit wenigen Jahrzehnten. Witzigerweise hatten alle von mir gefragten Leute die Richtlinien genau gegenteilig im Kopf: Sie dachten, dass man selbst mit Quellennachweis nicht fremde Texte zu eigenen Texten umschreiben darf. Sondern dass Zitate auszuweisen
und kenntlich zu machen sind. Und sie dachten die Universität habe das auch
in ihren Richtlinien stehen. (Oder
hier weitergehend, oder
dort ausführlich,...)
Herr Doktor Chatzimarkakis weiß es besser. Er war seinem Lebenslauf zufolge tatsächlich in Oxford. Es bleibt sein Geheimnis, warum er nun zu der Notlüge greift er habe seine Nachlässigkeit in Oxford gelernt, und deshalb seien anschließend seine Noten abgestürzt. Kein Geheimnis hingegen ist: Wer meint Dreck auf den Namen meiner Uni werfen zu müssen, muss potentiell mit einem Echo rechnen. Das können sich die nächsten
VroniPlag-Persönlichkeiten gleich aufnotieren:
An jeder größeren Uni in jedem Land sind deutsche Studenten unterwegs, die es nicht lustig finden wenn man deren Uni schlechtredet. Auch wenn's 'nur regional' in einer Talkshow im deutschen Fernsehen ist.
Noch weniger lustig ist es wenn derjenige der solche Sachen behauptet im EU-Parlamentsausschuss für Industrie, Forschung und Energie sitzt. Zwar nur als Stellvertreter, aber im Ausschuss ist ja - dank Frau Koch-Mehrin - gerade ein Platz freigeworden. Daher hielt ich es für notwendig die Uni zu informieren. Bevor ich meinen Brief einwurffertig hatte, fand ich
einen von Jan Rosenow verfassten offenen Brief an Dr Rösler. (bitte mitzeichnen!) Unsere Briefe sind unabhängig voneinander entstanden. Ich habe mich gestern mit Jan getroffen. Und herausgefunden dass wir uns schon kennen (jetzt auch mit Namen), und am selben College sind. Die Chancen stehen also gut dass noch weitere deutsche Studenten hier sauer auf die neuerlichen Ergüsse des Dr Chatzimarkakis sind.
Und nun viel Spaß.
Letter to the University of Oxford and
St Antony's College regarding Dr ChatzimarkakisWeitere Infos und Hintergründe auf
De Plagio,
Copy, Shake, and Paste,
VroniPlag und selbstverständlich, als Standardwerk auf diesem Gebiet,
GuttenPlag.
Nachtrag: Mittlerweile ist Dr Chatzimarkakis
nicht mehr Mitglied im EU-Parlamentsausschuss für Industrie, Forschung und Energie.