Sonntag, 25. März 2012

Die Geschäftsordnung ist kein Grundgesetz

Hallo lieber LPT NRW.

Teil I - Die Ewigkeitsklausel


es ist schön, dass ihr euch eine Geschäftsordnung gebt. Aber musstet ihr gleich Grundgesetz damit spielen?
§5.2.7 sagt: Die Geschäftsordnung kann mit 2/3-Mehrheit geändert werden (was, wie wir wissen, 'doppelt so viele Ja- wie Nein-Stimmen' bedeutet). Die Wahlordnung und Teile der Geschäftsordnung, inklusive dieser Ewigkeitsklausel selbst, dürfen aber nicht geändert werden.

Die schlechte Nachricht: Die Partei ist kein Kleinstaat. Ein Parteitag ist kein Verfassungskonvent und kein Bundestag. Die Basis ist kein Staatsvolk. Das Schiedsgericht ist kein Verfassungsgericht. Es gibt keine innerparteiliche Gewaltenteilung.

Die gute Nachricht: Es gibt keine Ewigkeitsklauseln in Geschäftsordnungen.

Auf Satzungsebene sind Ewigkeitsklauseln im Vereinsrecht unzulässig, und werden als "erfordern zur Änderung Einstimmigkeit" interpretiert:
Eine Unabänderlichkeit von Satzungsbestimmungen gibt es nicht. Würde die Satzung einzelne Bestimmungen für unabänderlich erklären, so wäre das so zu verstehen, daß eine Änderung nur mit Zustimmung aller Vereinsmitglieder (auch der in der Mitgliederversammlung nicht anwesenden) erfolgen kann. Je nach dem Inhalt der für unabänderlich erklärten Satzungsvorschriften kann die Satzung auch dahin ausgelegt werden, daß es zur Satzungsänderung der Zustimmung der Gründungsmitglieder bedarf, sofern diese im gegebenen Zeitpunkt noch Mitglieder des Vereins sind. - Sauter, Schweyer, Waldner - der eingetragene Verein - Rn 137
Selbst Einstimmigkeitserfordernisse sind aber in Parteien unzulässig:
Der im Vereinsrecht möglichen satzungsmäßigen Festlegung eines Einstimmigkeitserfordernisses steht hingegen im Parteienrecht die ausdrückliche Beschränkung auf eine "erhöhte Stimmenmehrheit" entgegen. Damit ist es ausgeschlossen, einem einzelnen Mitglied satzungsrechtlich eine Vetoposition einzuräumen, die ein unverhältnismäßig großes Stimmengewicht im Verhältnis zur Mitgliederzahl bedeutete. - Augsberg in Kersten, Rixen - Parteiengesetz, §15 Rn 8
Die Begründung hieraus folgt mehr oder weniger direkt aus der Vorschrift der innerparteilichen Demokratie (Art 21 I 3 GG). Wie sollen die Leute der gestrigen Versammlung der heutigen Versammlung irreversibel vorschreiben können, wie die Versammlung zu laufen hat?

Wenn aber schon in Satzungen Ewigkeitsklauseln nicht gehen - wie soll dann eine Geschäftsordnung eine Ewigkeitsklausel schaffen können? Ganz einfach: Gar nicht.
Entsprechende Regelungen sind unwirksam.

Was also jetzt tun? Wenn dem Parteitag danach steht - eine neue Geschäftsordnung und Wahlordnung beschließen. Bevorzugt eine ohne Ewigkeitsklausel.


Teil II - Die Listenaufstellung


Sind wirklich 50% der Stimmen nötig um auf eine Liste gewählt zu werden? Nein, sieht nicht danach aus. Denn eine Wahl auf eine Liste ist keine Wahl in ein Amt. Was wirklich stattfindet ist, dass der Parteitag eine Reihenfolge festlegt. Wenn ihr also die Wahlordnung ändern wollt, dass Plätze auch mit weniger als 50% der Stimmen besetzt werden können, dann macht das.

Maßgeblich sind hier §§18 VIII 3, 20 II Landeswahlgesetz NRW:
Die Versicherung an Eides statt nach § 18 Abs. 8 Satz 3 hat sich auch darauf zu erstrecken, dass die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber in der Landesliste in geheimer Abstimmung erfolgt ist. - §20 II 2 LWG NRW
Es geht aktuell um eine Festlegung der Reihenfolge in geheimer Abstimmung - keine Wahl. Ja, aber woher bekommt die Liste dann letztendlich ihre Legitimation? Ganz einfach: Indem am Ende der Aufstellungsversammlung, als letzte Aktion, die Liste insgesamt(!) noch einmal geheim abgestimmt wird. Wäre auch nicht das erste Mal, z.B. bei der Aufstellungsversammlung im Main-Kinzig-Kreis wurde das genau so gemacht.

-Markus

PS: Besten Dank an Emanuel Schach für die gemeinsame 5-Minuten-Analyse der Rechtslage und die guten Lösungsvorschläge :)
PPS: Das Schiedsgericht hat mit der Aufstellungsversammlung übrigens eh nichts zu tun, von daher gibt es hier keine Interessenskonflikte. Der Endgegner in diesem Level ist der Landeswahlleiter.

Mittwoch, 14. März 2012

Parteienfinanzierung im Umkehrschub - #FDP

Man kennt das ja: Man wählt Parteien, und die bekommen Geld vom Staat in Form der Parteienfinanzierung. Davon mag man halten, was man will - es ist einfach so.

Vereinfacht: Je mehr Stimmen eine Partei bekommt, desto mehr Geld bekommt sie. Umgekehrt: Je weniger Stimmen eine Partei bekommt, desto weniger Geld bekommt sie.

Damit die Parteien nicht einmal im Jahr besonders viel Geld bekommen, gibt es quartalsmäßige Vorauszahlungen.

Mit belustigter Schadenfreude wird also der Taschenrechner gezückt:

Die Vorauszahlungen für die FDP für dieses Jahr bemessen sich nach der Summe aller Wählerstimmen in Land-, Bund- und Europawahlen mit Stichtag zum 31.12.2011.
Die FDP hatte da 11.977.079,5 Stimmen (Quelle. Nicht wundern, die halbe Stimme kommt aus Bayern). Für die ersten 4 Millionen Stimmen gibts 0,85€ - für jede weitere 0,70€. Macht insgesamt also 4.000.000 * 0,85€ + 7.977.079,5 * 0,70€ = 8.983.955,65€ Wählerstimmenanteil. Dazu kommt noch ein Zuwendungsanteil der sich nach den Parteispenden bemisst und diverse Obergrenzenregelungen, die man hier aber erstmal vernachlässigen kann.

Nun steht die FDP aktuell ja eher mäßig in der Wählergunst. Es ist damit zu rechnen, dass sie gegenüber der letzten Wahl einige wenige Stimmen einbüßt. Es wäre also denkbar, dass die FDP mehr Geld ausbezahlt bekommt, als ihr am Ende des Jahres zusteht. Dann müsste sie das gesammelt zurückzahlen.
Wenn man die letzten Sonntagsfragen und die Wählerzahlen der jeweils letzten Landtagswahlen ansetzt, dann ergäbe sich folgendes Wahlergebnis:

Saarland: 49.064 Stimmen 9,2% (2009) - zu erwarten: 5.333 Stimmen 1% Forsa (09.03.12)

Schleswig-Holstein: 239.338 Stimmen 14,9% (2009) - zu erwarten: 32.126 Stimmen 2% Forsa (05.03.12)

Nordrhein-Westfalen: 522.229 Stimmen 6,7% (2010) - zu erwarten: 155.889 Stimmen 2% Infratest dimap (14.03.12)


In Summe: -617.283 Stimmen. Jede Stimme hat einen Wert von 0,70€. Bliebe alles andere also unverändert*, dürfte die FDP Anfang nächsten Jahres 432.098,10€ zurückzahlen, und die Abschlagszahlungen 2013 würden ebenfalls entsprechend gekürzt.

Ist doch mal ein Anfang!


*: Ist natürlich eine gewagte Annahme. Stimmverluste können z.B. durch Einnahmen von Parteienspenden ausgeglichen werden. Wobei die FDP in 2011 hier bereits einen Rückgang der Parteienspenden von 1.5 Mio € 'verkraften' musste. Und auch wenn es schwer vorstellbar ist, warum der FDP überhaupt noch jemand etwas spenden sollte - Dumme gibts eben immer. Der Betrag fällt auch noch etwas niedriger aus, weil es über alle Parteien eine absolute Obergrenze gibt, das könnte die Rückzahlung nochmal um ca 5% kürzen. Auch ist natürlich nicht auszuschließen dass die FDP sich durch ein Wunder voll rehabilitiert und überall die Ministerpräsidenten stellt. (Pruust...) Aber nicht verzweifeln, der FDP verblieben 2013 trotz Rückzahlung und Kürzung alleine durch die Parteienfinanzierung Gesamteinnahmen von ca. 12,7 Mio €. Sollte sie in der Bundestagswahl erneut abkacken wirds so richtig weh tun.