Teil I - Die Ewigkeitsklausel
es ist schön, dass ihr euch eine Geschäftsordnung gebt. Aber musstet ihr gleich Grundgesetz damit spielen?
§5.2.7 sagt: Die Geschäftsordnung kann mit 2/3-Mehrheit geändert werden (was, wie wir wissen, 'doppelt so viele Ja- wie Nein-Stimmen' bedeutet). Die Wahlordnung und Teile der Geschäftsordnung, inklusive dieser Ewigkeitsklausel selbst, dürfen aber nicht geändert werden.
Die schlechte Nachricht: Die Partei ist kein Kleinstaat. Ein Parteitag ist kein Verfassungskonvent und kein Bundestag. Die Basis ist kein Staatsvolk. Das Schiedsgericht ist kein Verfassungsgericht. Es gibt keine innerparteiliche Gewaltenteilung.
Die gute Nachricht: Es gibt keine Ewigkeitsklauseln in Geschäftsordnungen.
Auf Satzungsebene sind Ewigkeitsklauseln im Vereinsrecht unzulässig, und werden als "erfordern zur Änderung Einstimmigkeit" interpretiert:
Eine Unabänderlichkeit von Satzungsbestimmungen gibt es nicht. Würde die Satzung einzelne Bestimmungen für unabänderlich erklären, so wäre das so zu verstehen, daß eine Änderung nur mit Zustimmung aller Vereinsmitglieder (auch der in der Mitgliederversammlung nicht anwesenden) erfolgen kann. Je nach dem Inhalt der für unabänderlich erklärten Satzungsvorschriften kann die Satzung auch dahin ausgelegt werden, daß es zur Satzungsänderung der Zustimmung der Gründungsmitglieder bedarf, sofern diese im gegebenen Zeitpunkt noch Mitglieder des Vereins sind. - Sauter, Schweyer, Waldner - der eingetragene Verein - Rn 137Selbst Einstimmigkeitserfordernisse sind aber in Parteien unzulässig:
Der im Vereinsrecht möglichen satzungsmäßigen Festlegung eines Einstimmigkeitserfordernisses steht hingegen im Parteienrecht die ausdrückliche Beschränkung auf eine "erhöhte Stimmenmehrheit" entgegen. Damit ist es ausgeschlossen, einem einzelnen Mitglied satzungsrechtlich eine Vetoposition einzuräumen, die ein unverhältnismäßig großes Stimmengewicht im Verhältnis zur Mitgliederzahl bedeutete. - Augsberg in Kersten, Rixen - Parteiengesetz, §15 Rn 8Die Begründung hieraus folgt mehr oder weniger direkt aus der Vorschrift der innerparteilichen Demokratie (Art 21 I 3 GG). Wie sollen die Leute der gestrigen Versammlung der heutigen Versammlung irreversibel vorschreiben können, wie die Versammlung zu laufen hat?
Wenn aber schon in Satzungen Ewigkeitsklauseln nicht gehen - wie soll dann eine Geschäftsordnung eine Ewigkeitsklausel schaffen können? Ganz einfach: Gar nicht.
Entsprechende Regelungen sind unwirksam.
Was also jetzt tun? Wenn dem Parteitag danach steht - eine neue Geschäftsordnung und Wahlordnung beschließen. Bevorzugt eine ohne Ewigkeitsklausel.
Teil II - Die Listenaufstellung
Sind wirklich 50% der Stimmen nötig um auf eine Liste gewählt zu werden? Nein, sieht nicht danach aus. Denn eine Wahl auf eine Liste ist keine Wahl in ein Amt. Was wirklich stattfindet ist, dass der Parteitag eine Reihenfolge festlegt. Wenn ihr also die Wahlordnung ändern wollt, dass Plätze auch mit weniger als 50% der Stimmen besetzt werden können, dann macht das.
Maßgeblich sind hier §§18 VIII 3, 20 II Landeswahlgesetz NRW:
Die Versicherung an Eides statt nach § 18 Abs. 8 Satz 3 hat sich auch darauf zu erstrecken, dass die Festlegung der Reihenfolge der Bewerber in der Landesliste in geheimer Abstimmung erfolgt ist. - §20 II 2 LWG NRWEs geht aktuell um eine Festlegung der Reihenfolge in geheimer Abstimmung - keine Wahl. Ja, aber woher bekommt die Liste dann letztendlich ihre Legitimation? Ganz einfach: Indem am Ende der Aufstellungsversammlung, als letzte Aktion, die Liste insgesamt(!) noch einmal geheim abgestimmt wird. Wäre auch nicht das erste Mal, z.B. bei der Aufstellungsversammlung im Main-Kinzig-Kreis wurde das genau so gemacht.
-Markus
PS: Besten Dank an Emanuel Schach für die gemeinsame 5-Minuten-Analyse der Rechtslage und die guten Lösungsvorschläge :)
PPS: Das Schiedsgericht hat mit der Aufstellungsversammlung übrigens eh nichts zu tun, von daher gibt es hier keine Interessenskonflikte. Der Endgegner in diesem Level ist der Landeswahlleiter.