Sonntag, 12. Dezember 2010

Sturm im Wasserglas

Es brodelt mal wieder in NRW. Mitbekommen hab ich das nur am Rande durch die Bundesvorstandssitzung vom 02.12.. Und zwar haben in NRW einige Piraten beim dortigen LV beantragt "aus Kreisverbänden in den Landesverband zu wechseln". Der Landesverbandsvorstand NRW hatte damit kein Problem. Man kann ja schließlich durchaus Verbände 'horizontal' wechseln - also von einem KV in einen anderen, warum also nicht 'vertikal' - also von einem KV in einen LV? Allerdings wollte der Landesverbandsvorstand sicherheitshalber dann doch beim Bundesvorstand nachfragen. Dieser wiederum kam zum Schluss dass so ein vertikaler Mitgliedschaftswechsel nicht möglich wäre.

Und nun kam auf der Liste der AG Recht die Frage auf, wer hat denn nun Recht habe. Also erlebte ich abermals einen Rückfall, und verfasste eine ausführliche Antwort. Da ich darum gebeten wurde, hier also die Mail im Volltext.



Vertikaler Wechsel

Also zunächst mal müssen wir die Begrifflichkeiten klären. Es gibt keinen vertikalen Wechsel.
Der Grund dafür ist §7 PartG, der die gestufte Mehrfachmitgliedschaft festlegt. Ein Pirat in München ist damit grundsätzlich Mitglied im
  • Kreisverband München,
  • Bezirksverband Oberbayern,
  • Landesverband Bayern
    UND
  • im Bundesverband.
Ein vertikaler 'Wechsel' ist damit nicht möglich, weil alle Betroffenen schon längst Mitglied im Landesverband sind. Die korrekte Frage ist also: "Kann ich aus einer einzelnen Gliederung austreten wann es mir passt?"

Austritt aus einer Gliederung

Ich habe zwar leider gerade keinen der beiden großen Kommentare (Rixen, Ipsen) vorliegen, aber meine mich zu erinnern dass inhaltlich dort ähnlich argumentiert wird wie Morlok, Nomos Bundesrecht, §7 PartG Rn 21:
Die Parteimitgliedschaft knüpft an einen konkreten, regionalen Gebietsverband der untersten Stufe an, zugleich vermittelt sie dem Einzelnen die Mitgliedschaft in den höheren Organisationsstufen bis hin zur (Gesamt-)Partei, es entsteht damit eine »gestufte Mehrfachmitgliedschaft« (so bereits RG, JW 1927, 2363; vgl. auch BGHZ 73, 275 (278); B. Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 10. Aufl. 2005, S. 966, Rn. 5607 f.; K.-H. Seifert, Die Politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 199). Ein Austritt aus dem jeweiligen Gebietsverband führt automatisch zum Ausscheiden aus der (Gesamt-)Partei. Aus dem akzessorischen Charakter der Mitgliedschaft folgt, dass eine ausschließliche Mitgliedschaft in der (Gesamt-)Partei ebenso ausgeschlossen ist wie die Möglichkeit, Mitglied bloß in einem konkreten Gebietsverband auf einer einzelnen Organisationsstufe zu sein, ohne zugleich der (Gesamt-)Partei anzugehören. § 3 V 1 der Bundessatzung der FDP, wonach in Ausnahmefällen eine bundesunmittelbare Mitgliedschaft in der Gesamtpartei genehmigt werden kann, ist wegen Verstoßes gegen Sinn und Zweck des in § 7 enthaltenen Organisationsgebotes als gesetzeswidrig anzusehen.
§3 V 1 FDP lautet: "Die Mitgliedschaft kann in begründeten Ausnahmefällen auf Antrag auch unmittelbar bei der Bundespartei erworben werden. Diese Anträge bedürfen der Genehmigung des Bundesvorstandes, der über sie im Benehmen mit dem zuständigen Landesverband entscheidet." Also zumindest eine Nichtmitgliedschaft auf Landesverbandsebene wird kategorisch ausgeschlossen (so iirc auch Ipsen und Rixen, in allen Fällen möglicherweise mit Ausnahme von Auslandsmitgliedschaften). Ist eine Nichtmitgliedschaft auf Bezirks-/Kreisebene zulässig? Aus Morlok, Nomos, Bundesrecht, Rn 15:
"Aus [§7 Abs 1] Satz 3 folgt aber, dass sich die Parteien mindestens bis zur Kreisebene in Gebietsverbände zu untergliedern haben (E. Schunck, Die Parteien, Staats- und Kommunalverwaltung, Bd. 14 (1968), S. 29 (31); K.-H. Seifert, Die Politischen Parteien im Recht der Bundesrepublik Deutschland, 1975, S. 201)."
lese zumindest ich heraus dass kein besonderes Bezirks-/Kreisprivileg vorliegt, da auch diese essentielle Organisationsstruktur der Gesamtpartei sind. (Ausgenommen wohl Berlin, Bremen, Hamburg, §7 I 4 PartG) (§7 II PartG stellt fest dass es keine Gründungspflicht für KV/BzV oder LVs gibt)

Horizontaler Wechsel

Dass die Mitglieder im Zweifelsfall den Kreisverband wechseln können, indem sie einfach einen anderen Wohnort angeben, ist davon ab wohl unkritisch. ABER: Für Aufstellungsveranstaltungen auf lokaler Ebene (Wahlkreiskandidaten o.ä., keine Ahnung wie das in NRW läuft) gilt vermutlich der Erstwohnsitz. Da muss dann aufgepasst werden. Eine völlige Wahlfreiheit gibt es jedoch auch nicht:
"Die Koppelung der Parteimitgliedschaft an den Wohnsitz ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich jedoch aus dem Gebot der Gewährleistung eines demokratischen Willensbildungsprozesses »von unten nach oben« und der gebietlichen Gliederung. (..) Darüber hinaus ist der Gefahr einer manipulativen meinungs- bzw. mehrheitsorientierten Zusammensetzung von Ortsverbänden entgegenzuwirken. Dies gewährleistet das Wohnsitzprinzip als objektives Zuweisungskriterium. Die freie Wahl der Zugehörigkeit zu einem konkreten Gebietsverband ist daher ausgeschlossen. Nur in begründeten Ausnahmefällen kann eine Abweichung vom Wohnsitzprinzip als zulässig erachtet werden, so z.B. wenn eine effektive Mitwirkung zeitlich bedingt nur in einem Ortsverband am Arbeitsplatz möglich ist (vgl. z.?B. § 5 II Bundesstatut der CDU). Der Begriff des Wohnsitzes ist nicht identisch mit dem Erstwohnsitz, der für das politische Wahlrecht entscheidend ist. Als relevant ist vielmehr der Ort anzusehen, an dem das Parteimitglied tatsächlich lebt und seinen Lebensmittelpunkt hat, denn nur dies entspricht der gesetzlichen Forderung, eine reale Mitwirkung zu ermöglichen (so auch die Bundesschiedskommission der SPD, Entscheidung vom 05. 08. 1975, Az. 8/1975/St)." – Morlok, Nomos, Bundesrecht, §7 Rn 20

Aber was sind denn die Konsequenzen?

Wenn der 'Austritt' aus dem KV tatsächlich als Austritt aus der Gesamtpartei zu werten ist, dann sind die Mitglieder spätestens mit Zahlung und Annahme des nächsten Beitrags wieder Mitglied. Insofern also kein Konflikt. Mitglieder die aus einem KV - je nach Rechtsauffassung - austreten, oder meinen auszutreten, üben ihre Mitgliedschaftsrechte dort nicht mehr aus. Kein Problem, das steht jedem Mitglied ohnehin frei. Solange sie nicht daran gehindert werden ihre Mitgliedschaftsrechte auszuüben entsteht also auch hier kein Konflikt. Mitgliedsbeiträge werden anteilig nicht dem KV übergeben. Dem Mitglied isses Recht, und bis ein KV dagegen vorgeht entsteht ebenfalls kein Konflikt. Und wenn ein KV dagegen vorgeht, und nötigenfalls die Auslegung vor Gericht prüfen lässt, dann wird halt für drei Jahre nachgezahlt. Da alle Geldmittel aber in der Partei verbleiben, oder für Parteizwecke verwendet werden, ist das im Hinsicht auf den gesamtparteilichen Rechenschaftsbericht irrelevant. Bei horizontalen Übertritt in einen anderen Kreis ohne bestehenden KV besteht ebenfalls keine Konfliktgefahr, ausser der bisherige Kreis will dagegen vorgehen (unrealistisch). Wird im neuen Kreis jedoch ein KV gegründet, so hat dieser nun Ansprüche auf einen Mitgliedschaftsbeitrag. Besteht am Übertrittsziel bereits ein KV, so kann dieser eventuell die Annahme des Mitglieds verweigern, wenn dieser dort keinen tatsächlichen Lebensmittelpunktbezug hat.

Was ich nicht verstehe

Warum Piraten, deren Motto angeblich "Klarmachen zum Ändern" ist, aus einem Verband austreten wollen, weil dort etwas nicht rund läuft, statt dort etwas zu ändern.

Es gab schon genug Fälle von Verbänden in denen es mal richtig - also so RICHTIG gebrannt hat. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist Mittelfranken am Anfang dieses Jahres, an derem BzPT Andi Popp und ich uns schon Gedanken darüber gemacht haben was passiert wenn ein Parteitag keinen Vorstand wählt, weil sich der Verband komplett zerstritten hatte, und sich keiner mehr aufstellen lassen wollte. Heute ist Mittelfranken aktionsmäßig einer der aktivsten Verbände in Bayern.

Beste Grüße,
-Markus

Donnerstag, 18. November 2010

Suspendierung von Bodo? Sieht nicht gut aus.

Was ein Quatsch. Der Bundesvorstand hat also beschlossen Bodo bis auf weiteres seine Mitgliedsrechte zu entziehen. Ich darf mal kurz zusammenfassen:
  • irgendwann 2009: Bodo sagt irgendwas hirnloses
  • 16.07.2009: BuVo kommt zum Ergebnis "Nach der Sachlage hat Bodo [Thiesen] wiederholt gegen die Satzung verstoßen und sein Verhalten ist als vorsätzlich parteischädigend anzusehen" und beschließt: Amtsenthebung, Aberkennung der Fähigkeit ein Amt zu bekleiden, befristet bis zum 30.09.2010, Ausschlussverfahren beim zuständigen LSG zu eröffnen
  • August 2009: Nichts passiert
  • September 2009: Bundestagswahl. Ansonsten passiert nichts.
  • Oktober 2009: Nichts passiert
  • November 2009: Nichts passiert
  • Dezember 2009: Nichts passiert
  • Januar 2010: Es schneit.
  • Februar 2010: Nichts passiert
  • März 2010: Nichts passiert
  • April 2010: Nichts passiert
  • Juni 2010: Mittlerweile liegt dem LSG RLP der Antrag des BuVo vor
  • Juli 2010: Bodo wird auf einem LPT RLP zum Versammlungsleiter bestellt. Versammlungsämter sind nach Satzung keine Parteiämter. Zumindest nicht in der herrschenden Meinung in der Partei, da wir ansonsten so ziemlich jeden Parteitag in der Vergangenheit wegen unzulässiger Ämterkumulation stornieren müssten. In anderen Worten: Nichts passiert
  • August 2010: Nichts passiert
  • September 2010: Die Ämtersperre entfällt am Monatsende. Keinen interessierts.
  • Oktober 2010: Bodo macht sich am 20.10. auf der Bundesaktiven darüber lustig, dass nichts passiert
  • November 2010: Nachdem bis zum 18.11. abermals nichts passiert ist, beschließt der Bundesvorstand. Und er beschließt dass offensichtlich ein dringender und schwerwiegender Fall vorliegt, der das sofortige Eingreifen des Bundesvorstands erfordert. Bodos Mitgliedschaftsrechte sind bis zu einem Urteil in der Sache suspendiert.

Fällt da irgendwem was auf?
Macht da irgendwas stutzig?
Irgendjemand?

Das Aussetzen der Mitgliedschaftsrechte ist für mich der härtestmögliche Eingriff in Mitgliedschaftsrechte. Offenbar dadurch begründet dass ein Mitglied seine Meinung auf einer Mailingliste verbreitet hat. (Ob Bodo Recht hat oder nicht, ob Bodo doof ist oder nicht - ist hier völlig unerheblich. Auch ob das PAV gegen Bodo gerechtfertigt ist, oder nicht, ist an dieser Stelle egal! Mag ich Bodo? Himmel, nein. Aber trotzdem und gerade deswegen hat es Bodo nicht verdient unfair behandelt zu werden.)

Fakt ist: Im Juli 2009 lag kein schwerwiegender Fall vor. Auch im September 2010 lag kein schwerwiegender Fall vor. Zu einem Zeitpunkt an dem Bodo seine primäre Strafe abgesessen hat (Man darf nicht vergessen: Er wurde auch seines Amtes enthoben!). Und jetzt will der BuVo die Leute glauben machen, dass nun 2 Tage vor dem Bundesparteitag plötzlich ein dringender und schwerwiegender Fall vorliegt, der das sofortige Eingreifen des Bundesvorstands erfordert?! Wegen einer Mail die Bodo einen Monat vorher geschrieben hat? Oder einer (angeblichen) Verletzung der Ämtersperre im Juni? Wie bitte?? Habt ihr noch alle Tassen im Schrank?

Man kann von Bodo halten was man will, aber an dieser Stelle fährt der BuVo Geschütze auf, die einfach weit über das Maß des Angebrachten hinausgehen. Das Risiko eines langen Prozesses liegt seit der Entscheidung vom Juli 2009 beim Bundesvorstand, dies ist er damals nicht nur wissentlich eingegangen, sondern hat es auch durch die vorsätzlich späte Einreichung der Klageschrift, das Nichtaushändigen von irgendwelchen Aufzeichnungen, und nicht zuletzt durch das fehlende Vorantreiben des Prozesses sich selbst zuzuschreiben.

Wenn die Hemmschwelle für solch schwerwiegende Maßnahmen bei uns mittlerweile so niedrig hängt, dann sieht es schlecht aus für die Partei. Die Aussetzung der Mitgliederrechte ist meines Erachtens härter als ein Ausschluss. Denn in Analogie zu Untersuchungshaft vs. normale Haft hat auch in diesem Fall Bodo nicht einmal die Möglichkeit gehabt seine Seite der Dinge darzulegen, und gegen die Ordnungsmaßnahme(n) vorzugehen. Die Bestrafung erfolgt ohne ein rechtsstaatliches Verfahren. Es ist ein unmittelbarer und schwerwiegender Eingriff in Grundrechte der politischer Betätigung. (Art 21 Abs 1 Satz 3 GG) Man darf auch nicht vergessen dass das lange Verfahren nicht Bodo anzulasten ist. Von wegen: Sein Recht auf ein zügiges Verfahren wird auch verletzt.

Wir fordern Rechtsstaatlichkeit? Ja, sicher! Aber Bodo ist eine Ausnahme, denn er hat Schwachsinn auf eine Mailingliste gepostet?

Ein dringender und schwerwiegender Fall, der das sofortige Eingreifen des Bundesvorstands erfordert? Dass ich nicht lache! Warum ich mich an dieser Formulierung so aufhänge? Weil diese Formulierung wörtlich die Voraussetzung für die Suspendierung von Mitgliederrechten ist. §6 Abs 3 Satz 5 Bundessatzung. Und ich sehe nicht wie man diesen Fall da hineininterpretieren kann. Nicht mit dieser Vorgeschichte. Ich an Bodos Stelle würde jetzt vor ein ordentliches Gericht ziehen. Pfeif auf die innerparteilichen Instanzen.

Und ich dachte ja nicht, dass ich das jemals sagen würde - Aber: Danke an Jens Seipenbusch. Sein Alternativvorschlag wäre mit dem Selbstbild der Piratenpartei vereinbar gewesen.

Dienstag, 16. November 2010

Satzung in Chemnitz

Das Bundesschiedsgericht hat entschieden: In Chemnitz gibt es keine Satzungsänderungsanträge.

Leider ergaben sich nach diesem Urteil bei mir einige Kopfschmerzen. Da ich mittlerweile meine Hand wieder von der Stirn nehmen konnte, hier nun die Begründung:

Das BSG gibt vor sich nach der Satzung zu richten. Der Schlusssatz "Auch die nachträgliche Änderung der aktuellen Tagesordnung nach Ablauf der regulären Antragsfrist im Wiki stellt keine ausreichende Benachrichtigung der Parteimitglieder dar." beweist jedoch dass das BSG die Satzung nicht kennt: Die Antragsfrist (4 Wochen) ist nämlich von der Ankündigung (nicht: Mitteilung!) der Tagesordnung unabhängig. Letztere ist nämlich in §9b II 9 Bundessatzung geregelt, und beträgt nur 2 Wochen.

Die Ankündigung der Satzungsänderungsanträge auf der in der Einladung genannten Webseite (vgl §9b II 8 Satzg "und der Angabe, wo weitere, aktuelle Veröffentlichungen gemacht werden") fand am Freitag den 5.11., damit frist- und formgerecht statt.

Das Fixieren des BSG auf den §32 BGB führt nicht zum gewünschten Ziel: §32 BGB ist durch §9b II 8 Bundessatzung iVm §40 BGB nicht anwendbar. Das BSG hat den §40 BGB nicht geprüft, und nicht einmal erwähnt.

Der vom BSG geltend gemachte Einwand "Der Mangel kann nicht dadurch geheilt werden, dass die Mitglieder vom Verhandlungsgegenstand anderweitig oder gerüchteweise erfahren. (Für Alles Palandt/Ellenberger § 32 Rn. 4.)" wurde in völliger Verkennung des §9b II 8 Bundessatzung (wieder: "und der Angabe, wo weitere, aktuelle Veröffentlichungen gemacht werden") vorgebracht.

Dass der Bundesvorstand letztlich niemanden beauftragt hat, diese Argumentationslinie in der Verteidigung zu führen, ist eine andere Frage, die diesem Urteil leider wohl nur allzu zuträglich war. Warum das dieses Mal verpasst wurde, wird aktuell geklärt.

Würde dieses Urteil in der Form konsequent weitergedacht, dann wären auch Programmanträge in Chemnitz nicht behandelbar, bzw. im Anschluss angreifbar. Dann aber könnte man sich den Parteitag auch gleich komplett sparen.

Samstag, 23. Oktober 2010

Fefe und #LQFB

Fefe schreibt zu Liquid Feedback:
Das ist LQFB. Denn wenn man sich von der Idee verabschiedet, dass man eine geheime Wahl machen kann, und sagt, dass das nur für die Partei intern ist, dann gehen plötzlich Sachen wie Nachprüfbarkeit politischer Positionen, Wortbrecher erkennen, Schutz gegen Wahlbetrug, Schutz gegen Korruption, und eben flüssige Delegation mit Rechenschaft.

Ich habe meine eigene Meinung zu dem Vorstandsbeschluss, der seinen Wutausbruch verursacht hat. Ich finde es aber interessant welche Ziele Fefe mit Liquid Feedback verwirklicht sehen will. Denn ich sehe nicht was das mit dem Betrieb der Liquid Feedback-Instanz der Piratenpartei zu tun haben soll:

Nachprüfbarkeit politischer Positionen - von Einzelpersonen oder von der Partei insgesamt? Liquid Feedback ist "für qualifizierte Meinungsbilder der gesamten Basis" eingeführt worden (Im Protokoll nach Z013 suchen), und nicht als Gesinnungstest für Einzelpersonen. Und Meinungsbilder der gesamten Basis können mit und ohne Namenswechsel gültig eingeholt werden. Pseudonyme sind zunächst sowieso nicht einzelnen Personen zuordenbar - Stichwort Clearingstelle. Fefe liegt schlicht und ergreifend falsch wenn er schreibt wir haben ja die Accounts, die zugeordnet werden können. Das einzige was sich also durch den Beschluss tatsächlich ändern würde ist dass Namen wirklich nur noch Schall und Rauch sind. Es ist aber weiterhin gesichert dass nur (zahlende) Parteimitglieder abstimmen.

Wortbrecher erkennen - ich weiß nicht wie Fefe darauf kommt dass dies Ziel unserer Liquid Feedback-Instanz sein soll. Es gibt dort ja nichtmal verbindliche Abstimmungen sondern nur unverbindliche Meinungsbilder. Wir haben Liquid Feedback nicht als Onlineprangersystem eingeführt.

Schutz gegen Wahlbetrug - der Schutz der Mehrfachabgabe von Stimmen bleibt erhalten, der Schutz dass nur stimmberechtigte abstimmen dürfen, bleibt erhalten. Davon ab gibt es keine Wahlen.

Schutz gegen Korruption - unkorrumpierbare Meinungsbilder? Wovon wird hier bitte gesprochen?

Delegation mit Rechenschaft - Ich habe mich damit schon mal befasst, und bin zum Ergebnis gekommen dass Delegationen in Liquid Feedback keine Rechenschaftspflicht begründen.

Klargeworden ist mir zumindest eines: Die aktuelle Aufregung basiert einfach darauf dass die Leute verschiedene Dinge unter Liquid Feedback verstehen. Wenn ich aber Liquid Feedback nicht als höchstes Gut der Partei verstehe, sondern so, wie der Beschluss des Bundesparteitags es vorsieht, dann macht die Pseudonymwechselgeschichte keinen Unterschied. Ein Sturm im Wasserglas.

Samstag, 16. Oktober 2010

Kommentar zum Kommentar der PG-Satzung zum neuen Satzungsvorschlag für NRW (aka 'Reboot')

Ich habe heute den Kommentar der PG Satzung zum neuen Satzungsvorschlag in NRW gelesen. Und halte es für notwendig das nicht so unkommentiert stehen zu lassen.

Aus der Mail, die den Kommentar begleitet, möchte ich kurz zwei Aussagen herausgreifen:
Um es kurz zu machen: Wir halten die Rebootsatzung nicht für rechtssicherer als sie unsere jetzige Satzung ist.
Und es stellt sich heraus: Ihr habt recht. Die Rebootsatzung ist nicht rechtssicherer als die bisherige. Sie ist auch nicht besser als alle eure Vorschläge zusammen. Muss sie aber auch nicht sein. Keine Satzung ist rechtssicher. Rechtssicherheit entsteht (nur!) durch letztinstandliches Urteil im Einzelfall. Die Aussage ist also korrekt, aber unerheblich.

Weiterhin ersetzt die Rebootsatzung unser offenes System der Beteiligung mit einem Verwaltungsvorstand durch ein recht unreguliertes aber abgeschlossenes System, dass dem Vorstand jegliche Inititiative überlässt.
Wie offen euer jetziges offenes System ist habe ich bereits oft genug betrachtet (vgl. Crews in der Piratenpartei - Selbstverständnis NRW und Status der NRW-Crews), und halte es für so offen dass nicht nur Mißbrauch Tür und Tor geöffnet wird, sondern dass auch normale organisierte Arbeit, insbesondere die Verwaltung der Finanzmittel, einerseits übertrieben komplex und andererseits inhärent undemokratisch wird. Das angemahnte unregulierte aber abgeschlossene System gibt es bereits mehrfach - es sitzt vor eurer Nase und heißt Crew. Eine Crew die keine neuen Mitglieder zulässt (was nach aktueller Satzung allein Entscheidung der Crew ist, =abgeschlossen) kann über sein Geld nach eigenem Gutdünken entscheiden (=unreguliert), und ist keinem der Geldgeber rechenschaftspflichtig, und kein Nichtcrewmitglied kann auf die Crew Einfluss nehmen. Vor daher ist die Sorge durchaus ernstzunehmen. Es ist aber wohl der bestehenden kognitiven Dissonanz zu schulden dass die mögliche Verbesserung des Zustands als Verschlimmerung wahrgenommen wird.

Man muss die Rechtssicherheit also im Kontext sehen, und im Kontext ist die Neufassung der Satzung meilenweit besser als die aktuelle Fassung, die unter anderem dazu führte dass NRW z.B. mal keine Flyer bestellen konnte, weil das Geld zwar da - aber durch die Satzung blockiert wurde. Also wenn ihr weiterhin eine Satzung haben wollt die gegen euch arbeitet - go for it. Andernfalls habt ihr hier die Möglichkeit mal wirklich was zu ändern.




Soweit meine Meinung, nun zu den Kritikpunkten im Einzelnen:
§1 Abs 1: (..) modernen freiheitlichen Gesellschaftsordnung geprägt vom Geiste sozialer Gerechtigkeit (..) Anm: Buzzwordalarm
Das würde ich durchaus mittragen, aber aus einem ganz bestimmten Grund habe ich mit dieser Formulierung trotzdem kein Problem. Warum nicht? Weil sie wortgenau aus dem §1 Abs 1 der Bundessatzung stammt. Davon ab ist Buzzwordalarm keine Kritik, sondern nur responding to tone, also ziemlich tiefe Schublade in der Argumentationspyramide.

§1 Abs 3: Der Sitz der Piratenpartei Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen ist Dortmund. Dort befndet sich auch die Landesgeschäftsstelle. Anm: Warum gerade Dortmund? Sinnvoll fnd ich Düsseldorf. Wenn wir mal Abgeordnete haben, werden die eine GS unterhalten. Essen im Moment der Gründung geschuldet. Warum sollten wir das vorschreiben?
Gültiger Punkt. Ob Dortmund, Düsseldorf oder Essen ist mir persönlich einerlei. Der Kritik werden auch keine Argumente beigebracht warum Düsseldorf nun besser geeignet sein sollte, von daher gehe ich davon aus dass es tatsächlich niemanden interessiert, und es sich aktuell nur um ein akademisches Argument handelt. Dass Abgeordnete jemals die Geschäftsstelle unterhalten halte ich eher für unwahrscheinlich, denn man muss zwischen Fraktion und Partei unterscheiden. (Die Begründung hierfür ist eine Hausaufgabe) Warum sollte der Sitz vorgeschrieben sein? Die Antwort steht in §6 Abs 2 Nr 1 PartG. Muss man einen Sitz der LGS vorschreiben? Nein. Macht es einen Unterschied? Wenn es noch keine gibt - nein. Wenn ihr keine Zeit hattet am Entwurf mitzuarbeiten, dann ändert es eben am nächsten LPT.

§2: Mitgliedschaft - Die Mitgliedschaft und der Erwerb der Mitgliedschaft wird durch die Bundessatzung geregelt.
§3: Rechte und Pfichten der Piraten - Die Rechte und Pfichten der Piraten des Landesverbandes werden durch die Bundessatzung geregelt. Anm: Beendigung der Mitgliedschaft fehlt.
Unter Erwerb der Mitgliedschaft versteht man den gesamten Vorlauf, also alles was bis zum Zeitpunkt des Mitgliedschaftserwerbs passiert, diesen inklusive. Unter Regelungen der Mitgliedschaft versteht man alles was nach diesem Zeitpunkt passiert. Die Regelung der Beendigung der Mitgliedschaft ist also ein Teil der Regeln der Mitgliedschaft und es gelten die einschlägigen Regeln der Bundessatzung. Gar nicht so schwer, oder? Davon ab ist die Beendigung in unserem Fall sowieso vorrangig in §10 Abs 2 Satz 3 PartG geregelt, kann zumindest nicht durch Satzung beschränkt werden.

§4 - Ordnungsmaßnahmen - Alle Ordnungsmaßnahmen der Bundessatzung gelten entsprechend auch auf Landesebene. Anm: Das bedeutet, jede Ordnungsmaßnahme muss vom BuVor ausgehen. Diese Auslegung ist sicher denkbar, übersieht aber das Wort entsprechend, das - so meine Ansicht - äquivalent zum Wort analog eben eine sinngemäße Fortschreibung fordert. Die teleologische Auslegung sollte hier also ergeben dass die Ordnungsmaßnahmen vom Landesvorstand ausgesprochen werden. [Alternativer Lösungsweg: Da der Bundesvorstand als solches ein Organ ausserhalb des Landesverbandes ist, der Landesverband nach Meinung der PG Satzung also einen Teil seiner inhärent erlangten Machtbefugnisse (die Aussprache von Ordnungsmaßnahmen) vollständig an ein vereinfremdes Organ abtreten will, würde man eine explizite Nennung des Organs und der Übertragung der erwarten. Da dies nicht geschieht kann eine Abtretung nicht gemeint sein. Da die §4 aber nicht ohne Sinn stehen kann (systematische Auslegung) muss eine entsprechende Anwendung mit dem Landesvorstand als handelndem Organ gemeint sein.] Alles in allem also: Kein Problem.

§5 - Gliederung - Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Piratenpartei Deutschland gliedert sich in Bezirks und Kreisverbände. Zusammenschlüsse von Verbänden gleicher Ebene sind erlaubt und heißen Regionalverbände. Anm: Warum gerade die (Anm Anthem: Bezirks und Kreisverbände)? Sie müssen auch geografsch zusammenliegen. Warum BzV und KVs? Weils im Satzungsvorschlag steht. Da die Piratenpartei Deutschland aktuell aber meines Wissens nach noch keinen Ortsverein hat, und wohl auch nicht bis zum übernächsten LPT NRW haben wird, wäre eine detailliertere Ausgestaltung irrelevant. Also wen das stört: Änderungsantrag. Bis dahin dürfte das inhaltlich eigentlich kein Problem darstellen, zumindest sagt ja auch der PG-Satzungs-Kommentar keine inhaltlichen Probleme voraus, sondern fragt lediglich wie die Auswahl zustande kam. Müssen Verbände geografisch zusammenliegen? Nach dem Vorschlag nein. Sollten sie? Möglicherweise. Möglicherweise nicht. Da aber ein Zusammenschluss nur zustande kommt wenn beide Verbände bzw. beide Mitgliederstämme dem zustimmen wird wohl auch in ferner Zukunft ein gemeinsamer Ortsverband Berlin-München eher unwahrscheinlich bleiben.

§6a Anm: Wieso wird jetzt mit §6a weiter gemacht und nicht mit §7? Weil §6 die Organe des Landesverbands regelt, und §6a der Landesparteitag und §6b der Landesvorstand behandelt, also eben Organe des Landesverbands. Man könnte natürlich auch §7 und §8 machen - aber hey - so ist das wenn andere Leute den Satzungsvorschlag machen, und man selbst nicht dabei ist. Andere Verbände, z.B. der Bezirksverband Oberpfalz hat ihre Satzung in Artikeln statt Paragraphen verfasst. Die Nomenklatur hat allerdings keine Konsequenzen, deshalb schnell weiter zu:

§6a Abs 2: (..) Der Vorstand lädt jedes Mitglied per E-Mail oder Brief mindestens 4 Wochen vorher ein. (..)Anm: Warum hier vorschreiben? Vielleicht machen wir bald DE-Mail, ePost, Jabber oder sonst was? Der juristisch korrekte, und wohl auch beabsichtigte Terminus wäre hier wohl Textform(§126b BGB) gewesen. Stünde in der Satzung allerdings Textform wäre der Kommentar wohl, ob man nicht auch in Gedichtform einladen könne. Aber auch DE-Mail und ePost dürften die Anforderungen des Paragraphen insofern ohne weitere Änderung erfüllen. Jabber wäre nur in Ausnahmefällen als Ladungsmöglichkeit zulässig, denn das Vereinsrecht spielt bei uns auch noch mit. Es muss also zusätzlich zur Formvorschrift der Satzung auch noch erfüllt sein dass das Mitglied mit Kommunikation über dieses Medium rechnen können muss (Jabber: Nein), und die Einladung auf den Weg zum Empfänger gebracht werden muss (Twitter-DM: Ja, Twitter-Tweet: Nein). Also: Stellt beim nächsten LPT einen Antrag es auf Textform nach §126b BGB umzuformulieren. (Wie es z.B. der LV Bayern in §9b Abs 2 Satz 3 getan hat) Aber auch dann braucht ihr immer noch einen definierten Übermittlungsweg, denn sonst weiß kein Mitglied auf welchem Kanal er mit offiziellen Mitteilungen zu rechnen hat. Ausgenommen Brief und E-Mail, denn dafür gibt es bereits Vereinsübung. Oh - das sind zufällig ja genau die Wege wie sie schon im Satzungsvorschlag stehen. Hmm, Vereinsrecht kann so einfach sein. Fazit: Non-Issue.

§6a Abs 2: (..) Spätestens 2 Wochen vor dem Parteitag sind die Tagesordnung in aktueller Fassung, die geplante Tagungsdauer und alle bis dahin dem Vorstand eingereichten Anträge im Wortlaut zu veröffentlichen. Anm: Welche [Anträge] gibt es denn noch? SÄA 3 W[ochen] PÄA 3 W[ochen] und? 2 Wochen halte ich für eine angemessene Vorbereitung auf einen LPT für zu gering.
Es gibt zum Beispiel sonstige Anträge, das sind alle Anträge die weder Satzung noch Programm betreffen. Beispielsweise ein Antrag auf Vorstandsneuwahlen. Zur Fristenregelung komme ich später noch, aber ja - es ist beabsichtigt dass 2 Wochen vor dem Parteitag alle (bis dahin eingereichten) Anträge veröffentlicht werden müssen, obwohl die Einreichungsfrist für Satzungs- und Programmanträge 3 Wochen beträgt.
Dass die Vorlaufzeit zu gering ist - ist eine persönliche Präferenz. Die man beim nächsten Mal ja durchaus ändern kann. Aber auch dass die 2 Wochen so kurz sind hat seinen Grund. Doch dazu gleich mehr im nächsten Abschnitt. Fazit soweit: Geschmacksverschiedenheiten.

§6a Abs 3: Über einen Antrag auf Satzungsänderung kann nur auf einem Landesparteitag abgestimmt werden, wenn er mindestens drei Wochen vor Beginn des Landesparteitages beim Landesvorstand eingegangen ist. Anm: Einladungsfrist sind 4 Wochen! Dann sollten wir den Mitgliedern schon klar sagen können was geht. Zum anderen fnde ich 3 Wochen zur Prüfung von SÄA nicht für praktikabel. Die Einladungsfrist ist 4 Wochen. Wenn die Einreichungsfrist gleich oder mehr als 4 Wochen beträgt, dann hat kein Pirat der durch die Einladung vom Parteitag erfährt eine Chance einen Antrag einzureichen. Wenn mit der aktuellen NRW-Satzung (6 Wochen) der Vorstand einen LPT in 5 Wochen beschließt, können keine Änträge dazu gestellt werden. Sicher dass das so eine gute Idee ist? Also, eine Frist von 3 Wochen erlaubt auch weniger aktiven Piraten Anträge einzureichen. Allerdings müssen alle Piraten von allen Anträgen zu einem bestimmten Zeitpunkt Bescheid wissen. (Genauer: die Möglichkeit zur Kenntnisnahme muss bestanden haben) Deshalb die Veröffentlichung aller Anträge und der endgültigen Tagesordnung spätestens 2 Wochen vor dem Parteitag. Die eine Woche dazwischen kann dann zur Ausarbeitung eines Antragsbuches, o.ä. genutzt werden. Reichen denn nun zwei Wochen? Ich hab alle(!) Satzungsänderungsanträge für Bingen binnen zwei Tagen durchgeackert, und bin natürlich der Meinung dass zwei Tage völlig reichen. Fragen können am Parteitag auch noch gestellt werden - und Anregungen brauchts nicht, die Anträge können sowieso nicht mehr geändert werden. Realistischer für normale Leute sind zwei Wochen. Muss jeder alle Anträge gelesen haben? Schön wärs, aber die Erfahrung zeigt dass das sowieso nicht passiert. Egal ob man 1, 2 oder 10 Wochen Vorlaufzeit einplant. Zwei Wochen sind jedenfalls 14 Abende in denen Anträge auf den Mailinglisten auseinandergenommen werden können, und 14 potentielle Termine für Vorbereitungstreffen. Anträge sollten idealerweise sowieso nicht 'plötzlich' von irgendwo auftauchen, sondern bereits vorher irgendwo publiziert sein. Und unbekannte Anträge, die auch auf Nachfrage nicht erklärt werden können, gilt es eben abzulehnen. Alles in allen: 2 Wochen zur Prüfung von Anträgen reichen bestens aus. Und 3 erst recht. Immer noch anderer Meinung? Dann auf dem nächsten LPT kurzfristig eine Änderung einbringen. Aber nicht das Zusammenspiel der Fristen übersehen. Es gibt noch eine weitere wichtige Verbindung, nämlich:

§6b Abs 12: (..) Der Antrag auf ein Misstrauensvotum muss mindestens 30 Tage vor dem Landesparteitag beim Landesvorstand eingegangen sein.(..) Was soll das? Einladungsfrist sind 28 Tage! Satzungsänderungsfrist 21 Tage! Nen blödes Misstrauensvotum 30 Tage? Vorstandswahlen können fairerweise (und tatsächlich) nur dann gemacht werden, wenn die Vorstandswahl auch auf der Einladung steht. Bei Parteitagen mit Wahlen kommt eine andere Schnittmenge der Basis als bei Parteitagen ohne Wahlen. Würde man diesen Antrag nach Versand der Einladungen einreichen können, würde man so die Wahlen beeinflussen. Deshalb muss die Antragsfrist hier mindestens um die Zeitspanne des Briefversands größer sein als die Einladungsfrist. In unserem Fall 2 Tage. Verständlich? (Oh, und: Der unbestimmte Artikel für Misstrauensvotum ist ein, kurz 'n', und nicht 'nen', kurz für 'einen' - regt mich immer wieder auf! Einen Votum? Gnade...)

Wieder zurück zur normalen Reihenfolge:
§6a Abs 3: Ist der Landesvorstand handlungsunfähig, kann ein außerordentlicher Landesparteitag einberufen werden. Dies geschieht schriftlich mit einer Frist von zwei Wochen unter Angabe der Tagesordnung und des Tagungsortes. (..) Anm: Warum dann innerhalb von 2 Wochen? Wieso jetzt keine Mail mehr? Kann einberufen werden? Frist zu was? Innerhalb von 2 Wochen ist eine verkürzte Einladungsfrist, die man im Falle des innerverbandlichen Ausnahmezustands durchaus machen kann. Die aktuelle Regelung in NRW fordert eine Frist von 4 Wochen, was bei einem handlungsunfähigen Vorstand eventuell ungewünscht ist. Zur Einladungsform: Damit habt ihr tatsächlich den ersten Problemfall gefunden. den ich auch als solchen bezeichnen würde. Hier gehört das Wort schriftlich gestrichen, dann gelten implizit die gleichen Ladungsbedingungen wie zum ordentlichen LPT. Statt der 'kann'-Formulierung wäre meines Erachtens ein 'soll' besser angebracht, da nur in Ausnahmefällen (Beispiel: Es wurde schon zum ordentlichen LPT geladen, dieser findet in 3 Wochen statt, und daher können dort Wahlen abgehalten werden) kein eigener Parteitag notwendig ist.

§6a Abs 5: Der Landesparteitag beschließt über die Finanzordnung, die Teil dieser Satzung ist. Anm: Was passiert, wenn die BFO geändert wird? Einfache Frage, einfache Antwort: Nichts. Ausser die eigene Finanzordnung verweist auf die Bundesfinanzordnung, oder die Bundesfinanzordnung macht eine explizite Vorgabe auf die Landesebene.

§6a Abs 6: (..) Das Wahlprotokoll wird durch den Wahlleiter und mindestens zwei Wahlhelfer unterschrieben und dem Protokoll beigefügt. Anm: Ist das jetzt optional? Was ist an der Aussage optional? 'Wird' stellt fest dass tatsächlich gemacht wird. Das ist verpflichtend.

§6b Abs 1: Dem Landesvorstand gehören fünf bis sieben Piraten des Landesverbandes an Anm: Wieso keine feste Zahl? Die sollten doch Aufgaben haben. Sind sie so nur Visitenkartenträger? Hier ist es am Landesparteitag den Personen im Vorstand Aufgaben zuzuweisen, oder sie überhaupt nicht erst zu wählen. Andererseits kann der Landesparteitag nun je nach Bedarf (oder: je nach Angebot) 5, 6, 7 Piraten in den Vorstand wählen ohne die Satzung jedesmal ändern zu müssen.

§6b Abs 2: (..) [Der Landesvorstand] führt die Geschäfte auf Grundlage der Beschlüsse der Parteiorgane. Anm: Also kann der LVor selbst neue politische Rahmen definieren. Ist ja ein Organ und das direkt im Namen aller Piraten. Geschäftsführung ist ein klar umrissener Begriff. In anderen Worten steht hier: Die Exekutive des Verbands ist der Vorstand. Das hat mit politischer Gestaltung erstmal wenig zu tun. (Und dass es damit nichts zu tun hat folgt auch aus systematischer Auslegung, denn sonst wäre Abs 6 ohne Bedeutung)

§6b Abs 2 gegen Abs 6: Der Landesvorstand beschließt über alle organisatorischen und politischen Fragen im Sinne der Beschlüsse des Landesparteitages. Anm: Was bedeutet das? Überall wo der LPT einen Beschluss gefasst hat, kann der LVor nicht abweichen, beim Rest schon? Tatsächlich bedeutet es das nicht. Obwohl der Wortlaut so klingt. Hier weicht die Auslegung deutlich vom Wortlaut ab. Warum? Weil die Norm ansonsten unwirksam wäre. Das was hier beschrieben wird ist ein imperatives Mandat, und das verstößt gegen §15 Abs 3 Satz 3 PartG. Da die Satzung aber parteiengesetzkonform ausgelegt werden muss (und das muss sie, ansonsten wären wir eben keine Partei) folgt dass kein imperatives Mandat gefordert sein kann. Nein, es handelt sich um eine politische Sollvorschrift: Der Vorstand soll die Vorgaben des Parteitags gefälligst berücksichtigen, und tut er das nicht so hat er sich zu verantworten. Spätestens bei der nächsten Wahl. Ein Verstoß gegen Abs 6 ist damit zwar ein Grund für ein Misstrauensvotum, nicht aber für eine Ordnungsmaßnahme oder eine Strafanzeige (oder was für komische Ideen dafür sonst noch rumgondeln)

§6b Abs 3: (..) Der Landesvorstand bleibt bis zur Wahl eines neuen Landesvorstands im Amt. Anm: Damit kann der LVor sich selber im Amt halten, bis PartG die Notbremse zieht. Nein, kann er nicht. Der Vorstand ist dennoch verpflichtet am Ende seiner Amtszeit für unverzügliche Neuwahlen zu sorgen. Relevant wird dieser Satz nur wenn die Neuwahlen aus irgendeinem Grund nicht stattfinden können: Ausfall oder Abbruch des Parteitags ohne beendete Wahlen, nicht genügend Kandidaten,... Dieser Fall ist nicht so unwahrscheinlich wie er klingt, er wäre am Anfang dieses Jahres fast im Bezirksverband Mittelfranken als Folge innerparteilichen Streits (ehrlicherweise: mit meiner Beteiligung in Sachen Nürnberg) aufgetreten. Andersherum: Fehlt eine Kontinuitätsregelung, dann greift nicht das Parteiengesetz, und es taucht auch nicht von irgendwo plötzlich eine andere Regelung auf, wie manche Leute meinen - nein, es greift §29 BGB und ein interregnums-Vorstand muss beim Amtsgericht beantragt werden. Das finde ich persönlich eine weniger schöne und weitaus aufwendigere Lösung als eine einfache, kleine Kontinuitätsregelung in der Satzung. Das Mißbrauchspotential ist dennoch gering.

§6b Abs 5: Auf Antrag eines Zehntels der Piraten des Landesverbandes kann der Landesvorstand zum Zusammentritt aufgefordert und mit aktuellen Fragestellungen befasst werden. Anm: Warum so viel und nicht sagen wir 1%? Praktisch gibt es die Möglichkeit also nicht. Praktisch hat diese Regelung auch keine Bedeutung, sondern ist quasi nur ein innerparteiliches Petitionsrecht. Die Quote kann man natürlich senken, aber relevanter wird es dadurch vermutlich auch nicht. Ein Vorstand wird, wenn er irgendwas taugt, so und so auf Anfragen antworten. Und wenn er nichts taugt dann muss er eben abgewählt werden.

§6b Abs 7: (..) [Geschäftsordnung umfasst Regelungen zu] 2. Aufgaben und Kompetenzen der Vorstandsmitglieder (..) 5. Form und Umfang des Tätigkeitsberichts (..) 7. Beschlussfähigkeit Anm: Der Vorstand sucht sich selber aus, was er tut? Der VS muss einen TB abgeben und darf sich dann aber aussuchen was drinsteht und in welcher Form das zu erfolgen hat? Der LVor beschließt, ab wann er beschlussfähig ist?
Ja, Ja und Jein. Und ihr könnt nichts dagegen tun. Warum nicht? Weil ihr das auch ohne diese Regelungen nicht könnt. Die Aufgaben und Kompetenzen umfasst die Benennung von Geschäftsbereichen, in denen beispielsweise ein Vorstandsmitglied Vertretungsbefugnis zugewiesen bekommen kann - beispielsweise der Schatzmeister die Vertretungsbefugnis zur Kontenführung. Er spricht dann für den ganzen Vorstand und braucht im Einzelfall keinen Beschluss mehr für eine Umbuchung. Das passiert also faktisch so und so, und macht keinen Unterschied ob man es erlaubt oder untersagt. Schreibt man jedoch eine Regelung vor, dann fällt das für mich unter Transparenz. Umgekehrt hat der einfache Pirat und auch der LPT keinen Einfluss darauf ob der Schatzmeister überhaupt Lust hat die Konten zu führen. Hat er das nämlich nicht so kann der Vorstand in diesem Fall tatsächlich die Aufgaben einfach jemand anderes übertragen. Ohne so eine Regelung könnte nur der Restvorstand z.B. mit einem Rücktritt Neuwahlen erzwingen. Es gibt also ohnehin keine Garantie dass jemand den Tätigkeitsbereich ausfüllt, für den er sich zur Wahl aufstellt.
Der Tätigkeitsbericht ist tatsächlich einzig und allein Aufgabe des Vorstands, und wenn der Gesamtvorstand dem Parteitag nur den Bericht "Wir saßen rum." abliefert, dann kann der Parteitag auch nicht viel machen, zumindest wird er keinen besseren Bericht bekommen. Wenn der Bericht zu schlecht ist wird der Vorstand halt nicht entlastet. Insofern ist es im Interesse des Vorstands und des Verbands dass der Vorstand sich etwas detailliertere Regeln setzt, was er denn denkt was da drin stehen soll.
Die Beschlussfähigkeit ist dann etwas eine Grauzone, der Vorstand kann z.B. nicht festlegen dass alle Beschlüsse von 2 von 7 Mitgliedern getroffen werden können (verstößt gegen §15 Abs 1 PartG), und auch die Grenzen der gesetzlichen Handlungsfähigkeit (über die ich schon schrieb) können nicht übergangen werden. Aber es kann ein Konsens getroffen werden, z.B. ein Veto-Recht des Schatzmeisters so eingeführt werden, oder festgelegt werden dass bei geladenen Vorstandssitzungen immer mindestens 4 Personen anwesend sein müssen. Sollte es über beispielsweise die Veto-Regelung mal zum (gerichtlichen) Streit kommen, könnte die rechtliche Beurteilung dieser Regelung durchaus sehr kompliziert werden. Aber ja, es ist trotzdem auch im Interesse des Vorstands und des Verbands so eine Regelung zu treffen, und das auch dem Vorstand zu überlassen. In meinen Augen kann soetwas auch zum innervorständlichen Frieden beitragen.

§6b Abs 9: Der Landesvorstand liefert zum Parteitag einen schriftlichen Tätigkeitsbericht ab. Dieser umfasst alle Tätigkeitsgebiete der Vorstandsmitglieder, wobei diese in Eigenverantwortung des Einzelnen erstellt werden. Anm: Steht in 6b(7 – 5) anders. Das Minimum ist, „Ich habe Mitgliederverwaltung gemacht“? Richtig, die Form des Gesamtberichts in der Geschäftsordnung festzulegen ergibt wohl wenig Sinn, die Form der Einzelberichte ist jedoch nicht festgelegt. Folschisch muss wohl ebendiese gemeint sein. Der Umfang des Gesamtberichts sagt nur aus dass alle Tätigkeitsberichte genannt werden müssen. Der Vorstand kann in seiner Geschäftsordnung dann beispielsweise eine Untergrenze von 1.000 Wörtern festlegen. Bei der Entlastung am Parteitag kann dann von den bisherigen Vorstandsmitgliedern klar kommuniziert werden, wer welche TB-Vorgaben nicht erfüllt hat. Also nicht so widersprüchlich wie es aussieht.

§6b Abs 9 (forts.): Wird der Vorstand insgesamt oder ein Vorstandsmitglied nicht entlastet, so kann der Landesparteitag oder der neue Vorstand gegen ihn Ansprüche geltend machen. Anm: In Bezug auf was? In Summe eher wirkungslos, solange kein monetär messbarer Schaden entsteht. Völlig richtig. Das steht in der Satzung damit die Frage was eine Nichtentlastung bedeutet geklärt ist. Bei manchen Hochschulgruppen ist es so (und in RLP glauben manche, dass es bei ihnen auch so wäre) dass nichtentlastete Vorstandsmitglieder nicht zur Wahl antreten können. In anderen Worten: Das ist die Erinnerung an den Parteitag, an die Basis, was denn Entlastung bedeutet. Ansprüche setzen natürlich immer eine Anspruchsgrundlage voraus, bei Schadensersatz also einen Schaden. Das ist mit und ohne Satzungsregelung so.

§6b Abs 10: Tritt ein Vorstandsmitglied zurück (..) vs Abs 11: Treten mehr als zwei (..) Anm: Was passiert wenn wir nur 5 Vorstände gewählt haben, aber nun 2 zurücktreten? Dann haben wir keinen satzungs-konformen Vorstand mehr. Weitaus weniger spannend. Absatz 11 ist lex specialis zu Abs 10. Wenn zwei zurücktreten, dann sind das weniger als 'mehr als zwei', also gilt die Regelung in §6b Abs 10, jeweils für beide. Genauso, wie man nach §211 Abs 2 StGB selbst dann Mörder ist, wenn man zwei Menschen tötet. Obwohl im Gesetz nur der Fall mit 'einem Menschen' geregelt ist.

§6b Abs 10: Tritt ein Vorstandsmitglied zurück oder kann dieses seinen Aufgaben nicht mehr nachkommen, so geht seine Kompetenz wenn möglich auf ein anderes Vorstandsmitglied über. Anm: Dem Schatzi würde ich schon eine besondere Rolle einräumen wollen! Dessen Aufgabe sollte nicht einfach jemand anders übernehmen. Würde ich auch gerne wollen. Hier etwas zum nachdenken: Wenn der Schatzmeister das Konto leerräumt und ans Limit überzieht, und sich dann absetzt - haftet gegenüber dem Verband erstmal der Gesamtvorstand. Es ist daher wünschenswert dass der Restvorstand - auch aus Eigeninteresse - dem Schatzmeister zumindest ab und an mal über die Schulter schaut. Wenn sich das in einer Angabe von Kontoständen ausdrückt ist das schonmal was. Aber exklusiv Geld = Schatzmeister stimmt schlicht und ergreifend nicht. Andersherum: Wenn der Schatzmeister zurücktritt dann sollen lieber nach der aktuellen Regelung 6 Wochen lang keine Rechnungen bezahlt werden? Hmm...

§6b Abs 10 forts.: Ist der Posten des Vorsitzenden, Generalsekretärs oder des Schatzmeisters unbesetzt, ist unverzüglich eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen, um freie Posten neu zu besetzen. Anm: Da die Aufgaben nicht zugeordnet sind, ist zumindest nicht gewährleistet, dass die Aufgaben den betreffenden Titeln auch zugeordnet sind. Das ist korrekt. Meine Lösung für dieses Problem sieht übrigens so aus dass ich den gesamten Satz streichen würde. Die Begründung dafür liegt darin dass den genannten Vorstandsmitgliedern so ein Super-Veto-Recht zugesprochen wird. (cf. mein früherer Blogpost - wobei ich die Ergänzungswahlregelung gern behalten würde)

§6b Abs 11: (..) [bei Handlungsunfähigkeit] führt der Bundesvorstand kommissarisch die Geschäfte bis ein von ihm einberufener außerordentlicher Parteitag unverzüglich stattgefunden und einen neuen Landesvorstand gewählt hat. Anm: Keine Vorgabe für den BuVor, bis wann der neue LVor gewählt werden muss. Das Wörtchen 'unverzüglich' ist unter Juristen vorzüglich genau definiert, und entfaltet hier auch dann seine Wirkung wenn es an einer, auf den ersten Blick merkwürdigen, Stelle steht. Kürzt man den Satz zusammen, so wird klar dass der Parteitag unverzüglich stattzufinden hat. Unverzüglich ist langsamer als sofort, aber schneller als später - es lässt Zeit zur Ort- und Terminwahl, aber keine Zeit zum rumdümpeln.

§6b Abs 12: (..) Die Amtszeit des [durch Misstrauensvotum] abgewählten Vorstands endet mit der abgeschlossenen Neuwahl des neuen Vorstands. Anm: Wie jetzt? Die MV trauen ihrem LVor nicht, aber der bleibt im Amt? Nee, das muss dann der BVor übernehmen. Wenn ein Misstrauensvotum gestellt wird, aber scheitert, inbesondere weil - aus welchen Gründen auch immer - kein neuer Vorstand gewählt werden kann, hat der eigene Vorstand immer noch eine wesentlich stärkere Legitimität als ein fremder Vorstand. Stichwort Vereinsautonomie. Klar könnt ihr auch die Geschäftsführung dann auch gerne an die Bundesregierung, die Queen oder eben an den Bundesvorstand übergeben. Aber überlegt mal wieviel Zeit und Interesse die genannten Institutionen für die dann nötige Fortführung der Amtsgeschäfte haben. Nein, wenn ein Misstrauensvotum scheitert, dann sollte das keine Konsequenzen haben.

§6c a.k.a. Anm: Und das Landesschiedsgericht? Siehe Abschnitt C. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, steht alles drin.

§8 Abs 1: (..) so kann die Satzung auch geändert werden, wenn mindestens 2/3 der dem Landesverband angehörenden Piraten sich mit dem Antrag auf Änderung schriftlich oder in einem vom Landesparteitag legitimierten Liquid Democracy Tool einverstanden erklären. Anm: Wahlcomputer sind blöd, aber für uns nicht? Nur wenn der Landesparteitag dies auch so sieht, und ein entsprechendes Tool legitimiert. Wenn das nicht passiert, dann entsteht dadurch auch niemandem ein Schaden. Und am nächsten LPT könnt ihr den Passus ja wieder rauswerfen. Wobei die Frage, wie man denn diese Regelung im Falle des Falles praktisch umsetzen könnte, hiermit wenigstens beantwortet wäre. Oh - und mit Wahlcomputern hat das nichts zu tun, denn die Abstimmung/Einverständniserklärung kann sowieso offen erfolgen.




Oh - und das wars auch schon. Ach nee, eine Reaktion noch auf die Mail der PG-Satzung:

PS: Um dem Vorwurf der Rebootersteller direkt entgegen zu treten, wir würden das extra nach dem Einreichungsfristende machen möchten wir auf folgendes hinweisen:
1. Wir haben erst 2 Wochen vor Einreichungsfristende von der Rebootsatzung gehört.
2. Wir waren bis zu dem Einreichungsfristende mit unseren Satzungsänderungen beschäftigt.


Da stelle ich mir aber jetzt echt die Frage, wie man, wenn man so konzentriert an einem Thema arbeitet, nicht die Mailinglisten zu genau diesem Thema absucht, und dort diesen Satzungsvorschlag komplett übersehen konnte. Mich verfolgt diese NRW-Geschichte schon seit Ewigkeiten - mein erster Blogpost dazu war vor 3 Monaten - und ich bin nichtmal aus NRW. Andererseits entspricht meine Sicht auf bestimmte Dinge, insbesondere Satzungsfragen, wohl auch nicht dem Durchschnittspiraten :)

Anyway, hoffe damit eure Fragen erstmal einigermaßen beantwortet zu haben, und euren Bedenken einigermaßen entgegengetreten zu sein.

Montag, 27. September 2010

Hallo Bodo

Wer hätte gedacht dass wir jetzt tatsächlich eine Gemeinsamkeit haben?



Die genauen Aktenzeichen sind noch nicht vergeben, aber es sieht alles nach BSG-2010-09-25, und möglicherweise zusätzlich noch BSG-2010-09-27, aus.

Traurig, traurig.

Mittwoch, 8. September 2010

Gedankenleerlauf - Zur Rechtsnatur von Delegationen im Liquid Feedback


Aktuell sind ja große Abstimmwochen im bundesweiten Liquid Feedback-System der Piratenpartei. Und es gibt auch schon die ersten vorzeigbaren Ergebnisse, so haben wir basisdemokratisch festgestellt dass wir der Meinung sind, Russland sei ein souveränes Land.

Die Initiative, die mich heute zum nachdenken brachte, ist diese hier: Delegationen sollen abgelehnt werden können. Zunächst zum Hintergrund: In Liquid Feedback kann selbst agieren - also Initiativen einstellen, Anregungen formulieren und unterstützen, fremde Initiativen unterstützen und am Ende abstimmen - oder die Aufgabe an jemand anderen übertragen, also delegieren. Dem Delegierten wird dann für sämtliche Themenbereiche, einen bestimmten Themenbereich, oder auch nur zu einem einzelnen Thema dein Stimmrecht zugeschlagen, und er kann dementsprechend stärker agieren. Jedoch hat man aktuell keinerlei Möglichkeit eingehende Delegationen abzulehnen. Ziel der Initiative ist es also dies zu ändern.

Bei uns ist es üblich dass zu jeder Initiative, die Änderungen an der Liquid Feedback-Software herbeiführen will, eine Gegeninitiative der Entwickler eingestellt wird, mit dem Ziel den Status Quo zu begründen, zu rechtfertigen und zu verteidigen. So auch in diesem Fall.

Und darin finden sich die beiden Sätze "Verantwortung für andere zu übernehmen gehört zum politischen Tagesgeschäft. Die Argumentation Delegationen aufgrund der damit einhergehenden Verantwortung nicht annehmen zu wollen, kann ich daher nicht nachvollziehen." - und damit begann der Gedankenleerlauf. Die politische Dimension ist ziemlich uninteressant - wenn jemand die Verantwortung eben nicht übernehmen will, dann soll er es nicht tun. Die Gegenargumentation ist an der Stelle ziemlich .. flach. Irgendwie driftete ich aber gleich in eine andere Ecke ab:

Was ist denn eigentlich die Delegation? Eine Delegation ist im vorliegenden Fall eine Übertragung eines eng umgrenzten Teils eines Mitgliedschaftsrechts in der Partei. Das Recht ist die Teilnahme an der Meinungsbildungs/-findungsplattform Liquid Feedback, und die Übertragung speziell ist, wie oben beschrieben, die Übertragung des Stimmrechts für Anregungs- und Initiativenunterstützungen und Abstimmungen. Die Delegation kann dabei jederzeit einseitig durch den Delegierenden widerrufen werden. Implizit geschieht dies beispielsweise indem sich der Delegierende selbst in das Thema einmischt. Die Delegation findet im Speziellen unentgeltlich, im Allgemeinen ohne jede Gegenleistung statt.

Bei dieser Beschreibung fällt bei mir sofort die Diagnoseklappe, und ich weiß: Aus rein rechtlicher Sicht sprechen wir von einem Auftrag (§662 BGB). Dieser ist wie folgt (legal-)definiert:
Durch die Annahme eines Auftrags verpflichtet sich der Beauftragte, ein ihm von dem Auftraggeber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.

Und wenn man sich die folgenden Paragraphen so ansieht wie ein Auftrag ausgestaltet ist, dann sieht man zwar dass die wenigsten Paragraphen Anwendung finden, denn schließlich ist eine Delegation nicht mit Kosten verbunden, benötigt keinen Vorschuss, generiert keine Haftungsfragen oder Herausgabeansprüche, ist inhärent übertragbar, enthält keine spezifischen Weisungen, und ist (§671 Abs 1 HS 1 BGB) jederzeit widerrufbar. Nur aktuell vom Beauftragten eben nicht kündbar, was von der Ursprungsinitiative eben gefordert wird.

Und wenn man schon bei der Zivilrechtssituation ist, dann folgt auch immer die Frage: Wie ist das denn mit minderjährigen Mitgliedern? Denn die sind bei uns erlaubt (§2 Abs 1 Bundessatzung), und die haben eventuell nicht die (juristische) Freiheit alle möglichen Verträge einzugehen. Auch ein Auftrag ist ein Vertrag, ein Vertrag erfordert zwei Willenserklärungen, und eine Willenserklärung eines Minderjährigen fällt immer unter den Regelungsvorbehalt von §107 BGB, in anderen Worten:
Der Minderjährige bedarf zu einer Willenserklärung, durch die er nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.

Ein nicht lediglich rechtlicher Vorteil ist für bereits geringste rechtliche Nachteile zu bejahen, beispielsweise bereits für die Pflicht eine Sache bei Nießbrauch zu erhalten (§1041 BGB), oder eben bei einem Auftrag die entstehende Rechenschaftspflicht (§666 BGB), auch wenn diese in Liquid Feedback kein aktives Eingreifen erfordert - es geht nämlich nicht um tatsächliche Nachteile (Arbeitsaufwand), sondern um rechtliche Nachteile, und eine Pflicht ist unstrittig ein Nachteil.

Und da §110 BGB nicht anwendbar ist ("vollständige Bewirkung mit zu diesem Zweck überlassenen Mitteln"), gibt es nur noch die Möglichkeit dass mit der Vereinsmitgliedschaft der gesetzliche Vertreter konkludent eine Einwilligung für alle vereinsrelevanten Tätigkeiten gegeben haben kann - das ist nach Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 18. Auflage, Rn 345 aber nicht pauschal der Fall.

Und damit gäbe es einen Grund warum es die Möglichkeit geben muss Delegationen abzulehnen.

Allerdings gibt es auch ein paar gute Nachrichten:
1. Für politische Parteien gibt es die Ansicht dass eine Parteimündigkeit ab dem 16. Lebensjahr greift, und damit der gesetzliche Vertreter außen vor bleibt (Klein in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 57. Auflage 2010, Art 21 Rn 267). Solange wir also am Eintrittsalter von 16 Jahren festhalten, sollte es auch an anderen Stellen kein Problem geben. Das sollte man vor allem bei der nächsten, regelmäßigen Eintrittsalterdiskussion im Hinterkopf behalten, da dies auch ungeheures Potential hat Parteitage zu verkomplizieren.

2. Im Liquid Feedback geht es ja gottseidank eh um nichts, da Beschlüsse keine Auswirkungen haben. Und daher ist dieser ganze Text eben nur das, als was er in der Überschrift schon bezeichnet wird: Ein Gedankenleerlauf.

Freitag, 20. August 2010

Über pseudonyme Trollresistenz in Liquid Feedback

Zwei Behauptungen über Liquid Feedback die ich so nicht stehen lassen kann.

Trollresistenz



Es wird ja gerne behauptet dass Liquid Feedback trollresistent ist. Ich habe eine Weile darüber nachgedacht und für mich herausgefunden dass diese "Resistenz" nicht im Sinne der in der Informatik bekannten Begriffe Verhinderung oder Vermeidung gemeint ist, sondern eher im Sinne einer Gripperesistenz: Man wird gegen jeden Troll resistent, indem man ihn individuell einmal identifiziert hat. Mir sind in Liquid Feedback sind soweit folgende Trolltypen aufgefallen:

Identitätstrolle. Beispiele dafür sind Markus Gerstel (Verified Account), und erst recht berühmt: AndiPopp (nicht der echte, sondern der andere). Die wird man mit der Zeit natürlich los, allerdings eben nur einzeln.

Spamtrolle. Eine Initiative wird 15x eingereicht, oder in sachfremde Themen eingestellt. Hiergegen hilft Auto-Ablehnen. Leider bedeutet das auch, dass man regelmäßig durchschauen muss, ob eventuell gute Initiativen irgendwo untergehen. Ich würde hier tatsächlich gerne ein Feature sehen, dass es mir erlaubt Initiativen von bestimmten Benutzern auszublenden, solange sie das Quorum nicht erreicht haben. Das Allheilmittel 'Delegation' hilft hier auch nur nach dem bekannten Team-Prinzip: Toll, ein anderer muss sich durchwirtschaften. Und will man mehr tun als eine bloße Themen- oder gar Globaldelegation zu vergeben, so muss man trotzdem durch den Müll waten.

Inhaltstrolle. Wir streichen mal eben Sätze aus Gesetzen und Verfassungen weil wir sie nicht verstehen, oder der Meinung sind sie braucht keiner. Oder wir fordern Nichtraucherschutz auf Balkonen in Mehrfamilienhäusern - natürlich per Volksentscheid. Populistische Forderungen, meist mit nichts untermauert. Und doch provozieren sie manchmal Gegenreaktionen herauf, und beschäftigen gute Leute unnötig, da diese sonst die Befürchtung haben dass so ein Schmarrn irgendwo mal durchkommt. Solange Liquid Feedback keine echten Auswirkungen hat, mag das schön und gut sein - aber wer kann bitte heute schon abschließend sagen welche Auswirkungen eine Abstimmung dort tatsächlich haben wird? In Liquid Feedback greift natürlich auch ein Selektionsmechanismus: Auf plumpe Trolle fällt keiner mehr herein. Aber geschickte Trolle, die beispielsweise in der Initiative anderes fordern als in der Überschrift, haben auch in Berlin noch gute Chancen. Hand aufs Herz - wer hat denn wirklich die Zeit seitenweise Text zu lesen?

"Trollresistenz" ist für mich ein klarer Mythos. Ich weiß wie es gemeint ist, und ich finde es auch toll dass unbeachtete Initiativen und Themen nach hinten rutschen - aber für mich ist das keine Trollresistenz sondern eine glorifizierte Sortierung.

Ach, und die vielbeschworenen "lauten Leute" in der Partei? Tja, die sind natürlich auch nicht einfach weg. Von wegen, diese braucht man jetzt mehr denn je: Gerade in Liquid Feedback müssen Initiativen beworben werden. Damit man nicht auf der 28. Seite der Neu-Anträge herumdümpelt braucht man eben Marktschreier auf Mailinglisten oder über Twitter. Kennt dich keiner, dann kennt auch keiner deine Initiative, und du gehst in der Masse unter.

Pseudonyme Nutzung



Das wird jetzt etwas komplizierter und wesentlich länger.

Mein Verständnis eines Pseudonyms, und das wie es gerne in diesem Zusammenhang propagiert wird, ist das eines klassischen Schriftstellers, der unter einem fremden Namen publiziert, da er - aus welchen Gründen auch immer - nicht mit der Publikation in Verbindung gebracht werden will. Und ist der Verleger brav, dann kann man, so man will, sein Pseudonym auch mal unaufgedeckt mit ins Grab nehmen.

Pseudonyme in Liquid Feedback funktionieren jedoch komplett anders, wie ich es in Liquid Feedback am eigenen Leib erfahren habe. Ich habe mich zuerst absichtlich nicht unter meinem eigenen Namen angemeldet. Am nächsten Tag klingelte mein Telefon, und ein Pirat fragte mich, ob ich denn wirklich der Markus Gerstel im Liquid Feedback sei:

Natürlich war ich es nicht. Ich habe also in alle Welt verkündet: Hey, das bin nicht ich - und was ist passiert? "Markus Gerstel (Verified Account)" hat aktuell 18 eingehende Delegationen, davon 8 für den Themenbereich 'Satzung und Parteistruktur', und nochmal 2 weitere für spezielle Themen darin. (An dieser Stelle: Danke für das Vertrauen aller Delegierenden. Nice Try :D) Unter den Delegierenden auch bekannte Leute wie Tirsales, ValiDOM und Pavel Mayer. Und AndiPopp. Aber zu dem später mehr. Besonders heiß: Die Webadresse im Profil des falschen Markus Gerstel verweist auf meinen Tweet dass es sich nicht um meinen Account handelt. Meine erste Lektion war also: Ist dein Name in der Partei bekannt, so musst du ihn in Liquid Feedback auch verwenden - sonst tut es ein Anderer.

Aah, aber dann hieß es ja: Melde dich doch beim Support und schwärze den Kollegen an, der da deinen Namen benutzt. Ich habe das absichtlich gelassen, denn ich wollte noch weiter beobachten. Einige Leute haben mitbekommen dass nicht ich hinter diesem Account stecke. Also kame unweigerlich die Frage: Hey, wer bist du denn im Liquid Feedback? Wir wollen dir delegieren, weil du Ahnung von gewissen Themen hast. Meine zweite Lektion war daher: Hast du Ahnung von Themen, und ist es dir nicht vollständig egal was dort passiert, kannst du dein Pseudonym nicht für dich behalten.
Denn als ich antwortete, dass ich mein Pseudonym erstmal noch für mich behalten wolle, bekam ich enttäuschte Reaktionen. Die dritte Lektion: Wenn dir Leute vertrauen, du Ihnen aber durch die Geheimhaltung deines Pseudonyms ja offensichtlich nicht vertraust, belastest du dein soziales Umfeld.

Eine Forderung, die ich ja bereits gestellt hatte bevor Liquid Feedback in Betrieb ging war, verifizierte Accounts in Liquid Feedback einzuführen. Ein entsprechender Antrag landete auch sehr schnell im Liquid Feedback, initiiert von einem falschen Andi 'Valentin' Popp. Zu diesem Zeitpunkt war der echte Andi Popp noch nicht im Liquid Feedback aktiv. Es dauerte auch nicht lange bis eine Gegeninitiative auftauchte, die eine Verifikation von Accounts wegen des zu erwarteten sozialen Drucks ablehnte. Die Realsatire beginnt an der Stelle als der echte Andi Popp auf Twitter erklärt dass er krank im Bett läge, und noch gar nicht in Liquid Feedback aktiv sei. Und jetzt wurde der echte Andi Popp von Gegnern der Initiative tatsächlich aufgefordert seinen Account über Twitter zu verifizieren. Die Gegner der Initiative liegen natürlich völlig richtig wenn sie sagen, dass verifizierte Accounts eine Zweiklassengesellschaft aufbauen. Aber, und das ist die vierte Lektion, der befürchtete soziale Druck ist schon längst da. Es ist zwar möglich an Liquid Feedback teilzunehmen, ohne sein Pseudonym aufzudecken. Aber nicht in dem Maße wie es allen anderen möglich ist. Und damit haben wir auch bereits die gefürchtete Zweiklassengesellschaft.

Dass Kandidaten für Parteiämter oder Listenplätze in Zukunft mit der Frage "Wer bist du im Liquid Feedback?" rechnen müssen, sollte jedem klar sein. Interessanter ist, dass selbst 'einfache' Piraten ohne Ämter es für nötig hielten Ihren Liquid Feedback-Account zu bestätigen. Keine der bisherigen Lektionen hängt von einem Amt ab.

Aktuell bin ich bei 61 Themen als interessiert eingetragen, und unterstütze dort 73 Initiativen direkt. Weitere Themen und Initiativen unterstütze ich per Delegation. Wenn ich nur die Themen zähle, die aktuell in der Diskussionsphase sind, komme ich auf 159 - ohne Sandkasten. 4 Initiativen habe ich selbst initiiert. Wenn ich Initiativen nicht bewerbe, gehen sie schlicht und ergreifend unter. Bewerbe ich meine Initiativen, gebe ich mein Pseudonym preis.
Gleiches gilt andersherum: Fasel und rxl haben Initiativen gestartet, bei denen ich mehr oder weniger mitgearbeitet, oder auch nur drübergeschaut habe. Wer weiß, wo ich mitarbeite, und sieht, wer unterstützt, der muss nur noch das Konzept einer Schnittmenge verstehen, um mein Pseudonym herauszufinden.
Lektion Nummer fünf: Aktive Teilnahme -oder- vornehme Zurückhaltung. Willst du Liquid Feedback voll ausnutzen, und selbst etwas bewegen, dann kannst du dir ein geheimes Pseudonym nicht leisten. Zumindest kein Pseudonym, das von dem sonst in der Parteikommunikation von dir bereits verwendeten abweicht.

Aber es ist ja alles kein Problem. Ich kann mein Pseudonym ja jederzeit ändern. Und das kann ich unbemerkt von anderen Leuten, ausser - ja, ausser - sie haben mich als Kontakt hinzugefügt, auf mich delegiert, kennen eine meiner Initiativen, oder die URL meines Profils. Denn dann ist die Rückverfolgung trivial. Die sechste Lektion: Einmal aufgedeckt, immer aufgedeckt. Und zwar nicht nur für die Zukunft, sondern auch für die Vergangenheit.

Nun kann ich noch den ganzen Account schließen lassen, und mir über meinen Generalsekretär einen neuen Referenzschlüssel bestellen, und einen neuen Account mit neuem Pseudonym eröffnen. Wahlweise darf ich als Folge davon nun die 73 von mir unterstützten Initiativen neu unterstützen, meine 4 initiierten Initiativen neu initiieren oder nicht mehr bearbeiten, meine 31 eingehenden Delegationen verlieren, und/oder meine 33 ausgehenden Delegationen neu setzen. Von den aktuell laufenden Abstimmungen ganz zu schweigen. Und für den Fall dass ein Accountwechsel praktikabel gestaltet werden könnte - wären wir genausoweit wie vorher: Das neue Pseudonym ist bereits entweder durch meine neuen, alten Initiativen, oder durch meine neuen, alten Delegationen aufgedeckt. Lektion sieben ist daher Lektion fünf: Aktive Teilnahme -oder- Pseudonymität.

Bis hierhin habe ich doch tatsächlich noch alle Gefahren umschiffen, und mein Pseudonym schützen können. Als ich in meiner letzten Initiative einen bekannten Grundgesetzkommentar zitierte, wurde mir gesagt dass meine Art zu zitieren doch sehr auffällig sei. Und für einen Moment witterte ich schon Gefahr. Doch die Tatsache dass Textanalyse, oder der Personenkreis an den delegiert wird, bereits zur Identifikation ausreichen ist mir keine eigene Lektion wert.

Die tatsächliche Gefahr kam dann von anderer Stelle: Von den Liquid Feedback-Admins selbst. Die ersten Anzeichen kamen - witzigerweise - wieder aus dem Umfeld von Andi Popp: Ein Pirat hat sich unter dem Pseudonym kreuzritter angemeldet, und anschließend sein Pseudonym in kr0815 geändert. Aus Respekt davor, dass Andi Popp mal vor geraumer Zeit diesen Nick verwendet hatte. In sein Profil schrieb er "Ich seh zwar nicht ein, dass irgendwer mehr Rechte auf einen Nick als jemand anderes hat, aber den Nick eines "Promis" nehm ich selbstverständlich nicht." Der Zyniker in mir sieht natürlich sofort die Notwendigkeit ähnlich zu Domainnamen nun ein DISPUTE-Verfahren zu Nick-Kollisionen (Siehe zum Beispiel die Namen Alex oder Wolf in der aktuellen Mitgliederliste), am Besten auch noch vor der WIPO. Jeder hat darzulegen wie, wie oft, wie lange er seinen Nick benutzt, und am Ende wird er einem zugesprochen. Und eigene Liquid Abmahnvereine schützen deine Nicks, wenn du nicht die Zeit dazu hast. Die gute Nachricht ist, dass Pseudonyme nicht einmal eindeutig sein müssen, wie die beiden AndiPopps aktuell schön zeigen:


Verstecken kann man sich dahinter dennoch nicht. Denn das habe ich gestern Abend am eigenen Leib erfahren, als mir von den Liquid Feedback-Admins die Löschung meines Pseudonyms innerhalb von 24 Stunden angedroht wurde. Ob sie damit nur den Namen, oder gleich den ganzen Account meinen, weiß ich leider nicht.

Zusammengefasst will ich eigentlich nur auf eines hinaus:
Pseudonyme in Liquid Feedback sind keine Pseudonyme wie man sie aus anderen Kontexten kennt, sondern eher ein zweiter Nickname. Zwar kann Pirat X in Liquid Feedback sein Pseudonym im klassischen Sinne nutzen, es nicht preisgeben und sich bedeckt halten. Er kann an Abstimmungen teilnehmen, vielleicht ein paar Delegationen verteilen - so wenige, dass daraus nicht klar wird, wem er vertraut. Das muss er dann aber auch konsequent tun. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass andere Piraten, die ihn fachlich für kompetent halten, nicht an ihn delegieren können. Bleibt man auf diese Weise anonym, kann man keine Stimmen auf sich vereinen, kann nicht mit eben dieser Kompetenz für seine Initiativen werben und es passiert, was oben schon erwähnt wurde: Gute Initiativen gehen im allgemeinen Gespamme unter.
Delegationen sind Vertrauensbekundungen. Vertrauen hat man aber nicht in anonyme Nutzer. Vertrauen hat man in Piraten die man persönlich oder zumindest online kennt und auf Grund dieser Bekanntschaft als kompetent einschätzt. Das System von LQFB ist auf Delegationen und eben dieses Vertrauen ausgelegt. Und darum ist die Behauptung, Pseudonymisierung sei ein Schutz, in meinen Augen ein unehrliches Ablenkungsmanöver.




So, und nun muss ich mir ein neues Pseudonym suchen. Mich hat es wirklich gewundert dass man so etwas so lange unter dem Tisch halten konnte. Obwohl ich von mindestens 20 Personen weiß dass sie Bescheid wissen. Doch nun: Andi, ich werde dir demnächst deinen Namen zurückgeben. Danke fürs ausleihen. Die Delegationen nehme ich aber mit :)



Nachtrag: Zumindest solange bis ich alle erreicht habe, und informiert habe dass ich nicht Andi Popp bin. Ich habe mein Profil nun geändert und (bis auf einen) alle angeschrieben die fälschlicherweise auf mich delegiert haben.

Dienstag, 17. August 2010

Von lauter unlauter lauten Rücktritten und anderen Inszenierungen

Nachdem ich darum gebeten wurde meine letzte Mail auf die Bundesaktive einer breiteren Masse zur Verfügung zu stellen - Here goes:

Vorgeschichte: Nach der Einführung von Liquid Feedback auf Bundesebene der Piratenpartei Deutschland gab es einige Nachwehen. Als Teil des Fallouts gab am 15.08.2010 der Vorsitzende des KV Trier, Thomas Heinen, nicht nur seinen Rücktritt, sondern auch gleich seinen Austritt bekannt. (Interview) Mit Thomas hatte ich bereits den einen und anderen Streit in Bezug auf die Flamefestival-Seite, allerdings nichts wirklich weltbewegendes. Ein von mir geplantes, klärendes Treffen dazu in Nürnberg kam leider nicht zustande, da ich an diesem Wochenende zu einer überraschenden Seelsorgemission nach Bamberg musste.

Nur zwei Tage später gibt auch einer der beiden Beisitzer im gleichen KV Trier, Felix-Nicolai Müller, nicht nur seinen Rücktritt, sondern auch gleich seinen Austritt bekannt. Als Begründung muss wieder Liquid Feedback herhalten. Soweit, so unspannend. Hätte Felix nicht in seiner Mail auf die Aktivenliste der Piratenpartei nicht als "verfassungsfeindlich, wenn nicht sogar staatsfeindlich" bezeichnet, hätte ich davon auch keine Notiz genommen. In der Folgemail beschimpft er die Piratenpartei als "Verräterpartei 2.0", was mich irgendwie zu einer Antwort provozierte. Dadurch dass die Mail nicht nur an die Trierer Mailingliste, sondern auch an die RLP-Liste und die Bundes-Aktive geschickt wurde, werde ich die Intention des Autors, möglichst viel Staub aufzuwirbeln, berücksichtigen, und die beiden Mails hier verlinken: Ursprügliche Mail vom 17.08., 16:08 Uhr, Mail vom 17.08., 17:10 Uhr (Signaturen und Mailadressen wurden entfernt)

Hier nun meine Antwortmail vom 17.08., 18:48 Uhr:

Hi Felix,

On 17.08.2010 17:10, Felix-Nicolai Müller wrote:
Ich bin Dipl-Ing. (BA) FA: Inf und studiere momentan Psychologie, wozu eine umfangreiche statistische Ausbildung gehört. Momentan bin ich Korrektor für Statistikklausuren im Fach Psychologie.

Ich bin MSc in Computer Science, habe einen Honors Degree in Technology Management, studiere nebenbei Rechtswissenschaften und demnächst einen Promotionsstudiengang ausserhalb meiner bisherigen Fachrichtungen.
Interessieren tut dieser Schwachfug hier aber keinen - und das ist gut so. HIER zählt nur eine Qualifikation: Ich bin -wie du- ausgebildeter Mailinglistentroll und habe im Januar diesen Jahres darin meine Meisterprüfung mit Auszeichnung bestanden. Ich habe mir sogar eigenhändig die Fürther Ehrennadel am Band [1] ertrollt. Allein beim Nennen meines Namens hagelt es Facepalms von Nürnberg bis nach Berlin, von Bingen über Koblenz bis nach Trier. Bei meinem Anblick wird unserem Landesschatzmeister speiübel, und Stephan Eisvogel wird sprachlos. Ganze Landesverbände werden vorsichtshalber handlungsunfähig wenn sie eine Mail von mir sehen.
Doch genug der formalen Freundlichkeiten. Lass mich Dir sagen, quasi in Augenhöhe, von Troll zu Troll,...

Ich habe gekämpft. Ich habe geklagt.

ICH habe gekämpft! ICH habe geklagt! Damals. An der Front. An DEINER Front. Ich war auf Deiner Gegenseite. In der guten alten Zeit! Welch heroische Schlammschlachten. Ganze Battalione haben wir damals ohne Nachzudenken in den Eigenbeschuß geschickt. Alles verheizt. Warum? Weil wir es wollten. Weil wir es konnten. Und das Napalm brannte heiß. Heißer als jedes Flamefestival davor und danach. Der Nachthimmel war stets erleuchtet von den brennenden Kreisverbänden. Und die Uniformen waren cool. Die Anträge waren zahlreich. Sie waren explosiv. Sie waren explosiv hirnrissig. Auf beiden Seiten. Die Schriftsätze episch, sowohl inhaltlich als auch von der Länge. Das Schiedsgericht hat vermutlich bis heute posttraumatische Störungen davongetragen. Und es war toll. Und ich würde es wieder tun.

Und doch konnte alles nicht darüber hinwegtäuschen dass die Klage halt einfach Schmarrn war. Leider hat sich Deine Klage und leider haben sich Deine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung eben auch auf "LQFB ist schlecht, me-too" begrenzt, und nicht ausgeführt warum LQFB verboten gehört, warum es datenschutzrechtlich bedenklich, parteienrechtlich bedenklich, verfassungsrechtlich bedenklich sein soll. Du hast nicht mal einen eigenen Schriftsatz eingereicht. Du hast aus meiner Sicht geklagt um auch dabei gewesen zu sein (und weil du Bodo nicht zugetraut hast sein Ding durchzuziehen). Und bei DER Argumentationstiefe kannst du zwar auf der Aktiven gewinnen, aber nicht vor Gericht. (Ausnahmen bestätigen die Regel)

Ich habe den Kampf bei den Piraten verloren und daraus ziehe die die Konsequenzen. So etwas nennt man Verantwortung. Auszutreten - das ist ein normaler Prozess innerhalb einer "noch jungen" Partei. Und es setzt Zeichen, wenn es genug tun. Es macht auch den Weg für bessere und klarere Politik frei.

Jup, deswegen - und genau deswegen - hätten wir schon in Bingen die Konsequenzen ziehen sollen: Die Bundespartei auflösen und der Sache ein Ende setzen.

Warum?

Gegen Liquid-Feedback waren aus deiner Sicht 80%.
Gegen die Piratenpartei waren zur Bundestagswahl 98%.

Die einzige logische Konsequenz: Schwanz einziehen und rennen. Geschwind wie der Wind.

Mein Kampf geht weiter - gegen die Piraten, die Verräterpartei 2.0. Nur eben nicht als Pirat.

Und dann aus dem sicheren Ausland reinbashen. Zu irgendwas muss das Trolltraining ja gut sein.

Die Alternative - Hinfallen, Aufstehen, Argumentieren, wieder Hinfallen, wieder Aufstehen, zähes Scheitern über mehrere Legislaturperioden, niemals aufgeben, Mehrheiten sammeln und dann irgendwann Klarmachen-zum-Ändern in Chemnitz - viel zu kompliziert, zu aufwendig, zu schwierig, keine instant gratification, in anderen Worten schlicht unpiratig. Ausserdem ist das viel zu weit, und Mama fährt mich nicht.

Good riddance, ich werde dich nicht vermissen. Ich gehe nämlich eh davon aus dass du uns auf der Aktiven erhalten bleibst. Wäre ja auch merkwürdig wenn nicht.

Beste Grüße,
-Markus


[1] http://bit.ly/cjeEAD -- §15, ganz unten letzter Satz.

--
Ich weiß nicht immer, wovon ich rede. Aber ich weiß, dass ich recht habe. - Muhammad Ali



_______________________________________________
Aktive mailing list
Aktive@lists.piratenpartei.de
https://service.piratenpartei.de/mailman/listinfo/aktive

Dienstag, 6. Juli 2010

Von unfähigen Vorständen und solchen, die es werden wollen

Im Landesverband Rheinland-Pfalz begab es sich dass nach Unstimmigkeiten — der Transparenz halber sei gesagt dass ich an diesen nicht vollständig unbeteiligt war, aber das ist ein anderes Thema und soll hier nicht behandelt werden — die Landesvorstandsvorsitzende ihren Rücktritt erklärt hat. Und so ist es wieder einmal Zeit für eine neue Folge im Piraten-Juraseminar.

Der Rücktritt

Prinzipiell darf jeder Inhaber eines Amtes, gerade auch Inhaber eines Ehrenamtes, den Rücktritt erklären. Der Rücktritt ist im Vereinsrecht relativ einfach gehandhabt: Ein ehrenamtlich tätiges Vorstandsmitglied kann sein Amt jederzeit niederlegen (mit Ausnahmen, hier aber ohne Belang). Der Rücktritt ist eine höchsteigene Angelegenheit jedes einzelnen Vorstandsmitglieds. Das bedeutet auch dass das einzelne Vorstandsmitglied zum Beispiel an einen Rücktritt des gesamten Vorstands durch Vorstandsbeschluss nicht gebunden ist. Ein Rücktritt vom Rücktritt ist übrigens nicht möglich (OLG Hamburg JDR 24 zu §27 BGB).

Die Handlungsunfähigkeit

Bei jedem Rücktritt wird der Vorstand bis zur nächsten Wahl verkleinert. Die Beschlussfähigkeit des Vorstands kann darunter generell leiden. Das BGB selbst gibt nur die explizite Vorgabe dass ein Vorstand aus mindestens einer Person bestehen muss. (§26 II 1 1.HS BGB) Das Parteiengesetz gibt etwas spezieller die Vorgabe dass ein Vorstand aus mindestens drei Personen bestehen muss (§11 I 2 PartG). Ob die drei nun zum Zeitpunkt der Wahl oder der Vorstand jederzeit aus mindestens drei Personen bestehen muss ist unklar. (Weder Ipsen §11 Rn 3 noch Rixen §11 Rn 6 gehen darauf ein) Die Beschlussfassung in einem mehrköpfigen Vorstand richtet sich -sofern nicht gesondert geregelt- nach der üblichen Regel 'Mehr Ja- als Nein-Stimmen', und ist unabhängig von der Größe des Restvorstands. In den Satzungen der Piraten steht klassischerweise eine weitere, explizite Handlungsunfähigkeitsregelung die beispielsweise verhindern soll dass jemand vom Schlag eines Aaron K. einen Bundesvorstand alleine weiterführt wenn der Rest gemeinschaftlich zurückgetreten ist. Ausserdem werden manchmal einzelne Posten besonders privilegiert: Rücktritte des Vorstandsvorsitzenden (Galeonsfigur), des Schatzmeisters (Rechenkünstler) und des Generalsekretärs (Papierschubse) führen ebenfalls meist zur Handlungsunfähigkeit.

Nun ist aber zu unterscheiden in der Handlungsunfähigkeit kraft Gesetz (Klar: Kein Vorstandsmitglied mehr übrig, strittig: Weniger als 3 Vorstandsmitglieder) und der Handlungsunfähigkeit nach Satzung. Ersteres führt dazu dass die verbleibenden Vorstandsmitglieder nun faktisch keinerlei Beschlüsse mehr als Vorstand fassen können. Letzteres führt dazu dass faktisch Beschlüsse weiterhin gefasst werden dürfen, aber durch die Satzung für nichtig erklärt werden. Der Unterschied? Bei Unfähigkeit kraft Satzung kann die Satzung Ausnahmen vorsehen.
Und so steht in der RLP-Satzung als Folge der Handlungsunfähigkeit: "Der restliche LVOR ernennt bis zur Neuwahl des Vorstands zur Weiterführung der Geschäfte eine kommissarische Vertretung." (§4.2 XV 4 RLPSatzg). Da der Vorstand nicht mehr selbst handeln darf (nicht: kann) soll er sich Vertreter bestimmen, die dann für ihn handeln.

Der Standardlösungsweg ist natürlich der, dass die kommissarische Vertretung aus dem Restvorstand selbst zuzüglich eventueller andere kompetenten Leute für den ausgefallenen Schatzmeister oder Gensek besteht. So wurde dies beispielsweise auch im Bezirksverband Oberfranken gehandhabt. Im Bezirksverband Schwaben gab es eine andere Regelung, dort übernahm der Landesverbandsvorstand kurzfristig die Geschäfte und delegierte sie zurück an die verbleibenden Vorstandsmitglieder.

Was passiert nun aber wenn die gesetzliche Handlungsunfähigkeit eintritt? Dann kann der Vorstand keine Beschlüsse mehr fassen, den Verband nicht mehr vertreten. Damit kann er auch keine Vertretung mehr ernennen, denn die Satzung kann sich nicht über geltendes Recht hinwegsetzen. Nun kam sehr schnell die Idee auf dass der Bundesvorstand dann die Geschäfte übernimmt. Das ist vollständig und mit Nachdruck abzulehnen. Erstens kann der Bundesvorstand nicht ohne satzungsmäßige Grundlage (und zwar in der RLP-Satzung) einen LPT RLP einberufen. Da es diese Grundlage nicht gibt wäre das zweitens ein ungerechtfertigter Eingriff in die Verbandsautonomie, ist also auch systematisch strikt abzulehnen. Drittens wäre die einzige Folge eine unwirksame Einladung. Sprich: Das bringt niemanden weiter.
Wie kommt man aus diesem Szenario raus? Der Gesetzgeber hat diesen Ausnahmefall natürlich vorgesehen, und man (=jedes Verbandsmitglied, sinnvoll natürlich irgendwelche Ex-Vorstände) kann vom Amtsgericht einen Notvorstand nach §29 BGB bestellen lassen. Die Parteischiedsgerichte sind dazu nicht befugt. (Rixen §14 Rn 18, auch §11 Rn 6, Ipsen §11 Rn 4)

Fazit

Da im Landesverband Rheinland-Pfalz meines Wissens 5 von 7 Mitgliedern im Vorstand verbleiben, liegt zwar die satzungsmäßige Handlungsunfähigkeit vor, aber keine gesetzliche Handlungsunfähigkeit. Die Lösung des Dilemmas ist also ganz klar sich eine Vertretung zu ernennen und von diesem den nächsten, ausserordentlichen LPT einberufen zu lassen. Beides ist nach Satzung nicht nur möglich sondern verpflichtend. (Tip: Schnellstmöglich ist übrigens nicht 'sofort')
Die Verbandsautonomie sollte hochgehalten werden, deshalb wäre ein Beschluss des Bundesvorstands zu diesem Thema generell kein gutes Zeichen. Weiter ist der (Rest-)Vorstand des LV RLP auch weiterhin als solcher zu bezeichnen, auch wenn er nach Satzung handlungsunfähig ist. Daraus ergibt sich beispielsweise weiterhin ein Antragsrecht beim Bundesvorstand.

Bei der Ladung sollte aufgepasst werden. Der LPT RLP kann m.E. nicht mehr vom Vorstand eingeladen werden, sondern das muss von der kommissarischen Vertretung gemacht werden, da die Ladung eine Weiterführung der Geschäfte darstellt. Alles andere wäre ein Ladungsfehler der die Legitimität des gesamten LPT untergräbt, damit dessen Beschlüsse inklusive Wahlen ungültig macht.

Und alle anderen Verbände, vom Ort bis zum Bund, sollten sich die Regelung in ihrer Satzung genauer anschauen. Insbesondere die Folgen einer gesetzlichen Handlungsunfähigkeit sollten geprüft werden. Die Regelung "der Restvorstand beschließt..." ist irreführend und nicht immer anwendbar, von daher gefährlich und sollte gestrichen werden. Sinnvoller ist meiner Meinung nach die Regelung dass der dienstälteste untergeordnete Verband, oder so keiner vorhanden, der nächsthöhere Verband die Geschäfte bis zu einem von ihm einberufenen ausserordentlichen Parteitag weiterzuführen hat. Dank der Inhaltsfreiheit ist so eine Gestaltung in der Satzung möglich.
Bei der Gelegenheit sollte gleich eine eventuelle Sonderregelung für Vorsitzende, Schatzmeister u.dgl. überdacht werden. Im Zweifelsfall wird damit nämlich ein Super-Veto-Recht eingeführt, das aus prinzipiellen Gründen abzulehnen ist.

Donnerstag, 17. Juni 2010

Crews in der Piratenpartei - Status der NRW-Crews


Im ersten Teil habe ich versucht das von mir vermutete Selbstverständnis von den Nordrhein-Westfälischen Piraten zu ergründen. Dazu habe ich bewusst die NRW-Satzung als Informationsquelle herangezogen, da die Satzung die Meinung des Verbands widerspiegelt, auch (und gerade) wenn diese möglicherweise dem Bild widerspricht das die NRW-Piraten selbst von ihren Crews haben oder haben möchten. In diesem Teil möchte ich auf den aktuellen, tatsächlichen Status der Crews in NRW eingehen - zumindest soweit wie er sich einem bayrischen Piraten erschließt, der eben nicht vor Ort ist. Wie bereits im ersten Teil gilt: Ich will nicht pauschal das Crew-System verurteilen oder hochloben, bringe aber natürlich meine persönliche Sichtweise ein, die mitunter etwas zynischer werden kann. Daher: Weiterlesen auf eigene Gefahr.


Teil 1: Selbstverständnis NRW
Teil 2: Status der NRW-Crews

Eine kurze Wiederholung


Die Finanzverwaltung im Landesverband NRW ist aus bayrischer Sichtweise (und vermutlich nicht nur aus dieser) untypisch: Während bei uns der Vorstand die Mittel des Landesverbands verwaltet und verteilt, übernimmt in Nordrhein-Westfalen diese Aufgabe der Parteitag selbst. Der Parteitag teilt dem Vorstand, den Arbeits- und Projektgruppen ein Budget zu, unverteilte Beträge fallen den Crews zu. (§6 NRWFinanzO)

Weitere Spendeneinnahmen können ebenfalls den AGs, PGs und Crews zugute kommen:
§5 S 1 NRWFinanzO "Spenden können zur Verwendung durch eine Crew, AG oder PG gekennzeichnet werden."
Wer sich noch an das im Teil 1 skizzierte Bild erinnert: Diese drei Gruppen erhalten vom Satzungsgeber eine Sonderstellung, die ihnen Privilegien einräumt die dem Vorstand explizit nicht zukommen sollen. Denn der Vorstand soll nicht exklusiv über an ihn gerichtete Spenden verfügen.

Crews (und AGs, und PGs) entscheiden selbst über die ihnen zugewiesenen Mittel. (§4 Abs 1 Satz 1 NRWFinanzO) Der Vorstand erhält lediglich eine Mitteilung über die Entscheidung, hat also im Vorfeld explizit kein Mitspracherecht. (§4 Abs 1 Satz 2 NRWFinanzO) Nachdem die Entscheidung gefallen ist erhält der Vorstand immerhin ein stark eingeschränktes, enges Vetorecht um eine Ausgabe zu verhindern.
§4 Abs 3 NRWFinanzO "Der Vorstand kann einstimmig eine Ausgabe verhindern, wenn diese den Bestimmungen des Parteiengesetzes widerspricht. Er hat seine Entscheidung mit Begründung zu veröffentlichen."
Der Vorstand hat also nicht mal ein formales Prüfungsrecht ob der Crewbeschluss richtig zustande gekommen ist. Das ist also weniger als der Bundespräsident bei Gesetzesausfertigungen hat – und der hat eigentlich schon keine Entscheidungsgewalt. Für den seltenen Fall also in dem der Vorstand einstimmig eine Verletzung des Parteiengesetzes feststellt kann also eine Ausgabe verhindert werden. Hier hört leider der Satzungsgeber auf detailliert vorzuschreiben was passiert – denn wie dann die Rückabwicklung (des im Außenverhältnis möglicherweise bereits wirksamen Vertrages) stattfinden soll bleibt ein ungeklärter Konfliktfall.
Nutzt der Vorstand sein schmales Verhinderungsrecht nicht, so wirkt die Entscheidung der Crew gegenüber dem LV selbst. Der LV wird vertraglich verpflichtet, und die Ausgabe ist dem LV zuzurechnen.

Soweit jedenfalls die Theorie. Die man jetzt mal kurz auf Verträglichkeit mit Parteien-, Zivil- und Verfassungsrecht prüfen könnte. Und weil seit meinem letzten Blogpost der Marktwert von Konjunktiven in der Partei stark gefallen ist — machen wir das jetzt mal.

Möglichkeit des Vorstands Crewausgaben einstimmig abzulehnen



Das erste Problem lauert in Form des §15 Abs 1 PartG: "Die Organe fassen ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit, soweit nicht durch Gesetz oder Satzung erhöhte Stimmenmehrheit vorgeschrieben ist."
Und wenn wir die Experten mal fragen was darunter zu verstehen sein könnte, dann erfahren wir
Kersten/Rixen §15 Rn 7: "Qualifizierte Mehrheiten sind parteiengesetzlich nicht vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen. Nicht zutreffend dürfte es aber sein, dieses Ergebnis mit der Überlegung zu begründen, das Parteiengesetz verlange lediglich die Einhaltung eines demokratischen Minimums. Denn dies setzte im Sinne einer qualifizierenden Einordnung voraus, dass höhere Mehrheitserfordernisse eine höhere demokratische Dignität besäßen. Das ist indes nicht der Fall. Demokratie bedeutet stets auch Variabilität, verlangt also die Möglichkeit, einer abweichenden Position zukünftig zur Durchsetzung zu verhelfen. In diesem Sinne bewirken qualifizierende Mehrheiten tendenziell eine Konservierung des status quo. (..)" (Hervorhebungen aus dem Originaltext)
Dass ein höheres Quorum nicht mehr Demokratie bedeutet haben bei uns noch nicht alle verstanden. Aber wie sieht es mit der super-demokratischen Variante Konsens oder Einstimmigkeit aus? Siehe da:
Kersten/Rixen §15 Rn 8: "(..) Der im Vereinsrecht möglichen satzungsmäßigen Festlegung eines Einstimmigkeitserfordernisses steht hingegen im Parteienrecht die ausdrückliche Beschränkung auf eine "erhöhte Stimmenmehrheit" entgegen. Damit ist es ausgeschlossen, einem einzelnen Mitglied satzungsrechtlich eine Vetoposition einzuräumen, die ein unverhältnismäßig großes Stimmengewicht im Verhältnis zur Mitgliederzahl bedeutete."
Ipsen §15 Rn 3 "(..) Ein Prinzip der Einstimmigkeit würde aber dem einzelnen Mitglied ein unverhältnismäßig großes Stimmengewicht im Verhältnis zur Mitgliederzahl geben, weil Einzelne eine Entscheidung stets verhindern könnten. Das Mehrheitsprinzip entspricht daher demokratischen Grundsätzen i.S.v. Art 21 Abs 1 Satz 3 GG."
Der eine hält also das Einstimmigkeitserfordernis für parteiengesetzwidrig, der andere für grundgesetzwidrig. Sieht nicht gut aus. Was passiert mit einer Satzung die gegen geltendes Recht verstößt? Dann gilt (frei nach Kersten/Rixen §6 Rn 24): Die Rechtsfolgen der Nicht- oder nicht vollständigen Erfüllung der Anforderungen des Parteiengesetzes regelt das Parteiengesetz nicht. Als Sanktion kommt grundsätzlich nur ein verweigerter Rechtserfolg in Betracht. Verstöße gegen zwingende Vorschriften des Parteiengesetzes führen demnach zur Nichtigkeit der entsprechenden Satzungsbestimmungen; an ihre Stelle tritt die einschlägige gesetzliche Regelung. In diesem Fall die ursprüngliche Regelung im §15 Abs 1 PartG, und es gilt
Kersten/Rixen §15 Rn 6: "Bei der Berechnung der Stimmenmehrheit ist in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Regelung auf §32 Abs 1 S 3 BGB zurückzugreifen. Demnach kommt es prinzipiell (nur) auf die Stimmen der erschienenen Mitglieder/Vertreter an. Dabei sind grundsätzlich Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen nicht mitzuzählen. (..) Die einfache Stimmenmehrheit ist gegeben, wenn mindestens eine Ja-Stimme mehr als Nein-Stimmen abgegeben wird. Bei Stimmengleichheit ist ein Antrag abgelehnt. (..)"
Soviel zum Thema der Vorstand könne Ausgaben nur einstimmig ablehnen.

Einstimmigkeitsbeschlüsse - Teil II


Das Erfordernis eines einstimmigen Beschlusses findet sich noch an anderen Stellen in der NRW-Satzung. Eine davon ist die Entscheidungsfindung innerhalb von Crews:
§1 Abs 4 NRWCrewO: "Innerhalb jeder Piraten-Crew werden Entscheidungen grundsätzlich im Konsens im Rahmen eines Crew-Treffens durch die anwesenden Crew-Mitglieder getroffen."
Jetzt kann man natürlich (und völlig zu Recht!) einwerfen dass Crews ja nun keine Organe sind, und §15 PartG deshalb überhaupt nicht angewendet werden kann, aber:
Kersten/Rixen §15 Rn 5: "(..) Das allgemeinen demokratischen Überlegungen entsprechende Mehrheitsprinzip findet jedoch über den Wortlaut des Abs 1 hinaus auch bei allen anderen politischen Entscheidungsprozessen Anwendung, soweit nicht spezialgesetzlich oder satzungsrechtlich eine qualifizierte Mehrheit gefordert ist. (..)"
§15 Abs 1 PartG ist damit auch auf Crews anwendbar, egal wie diese im Sinne des Parteiengesetzes eingeordnet werden mögen oder nicht.

Vertretungsproblematik


Wenn Crews keine Organe sind drängt sich natürlich die Frage auf was – aus rechtlicher Sicht – Crews denn dann sein sollen. Die Organschaft jedenfalls scheitert bereits an den Bedingungen des §8 Abs 2 Satz 2 PartG "[Die Organe] sind in der Satzung ausdrücklich als solche zu bezeichnen." Crews sind auch keine Vertreterversammlungen oder Parteiausschüsse (§§13, 12 PartG).
Auch der Interpretation der Wirtschaftsprüfung dass eine Crew eine Mitgliedervereinigung nach §7 PartG unterhalb der niedrigsten Gliederungsstufe handelt kann ich mich absolut nicht anschließen. Zunächst handelt §7 PartG von territorial gegliederten Gebietsverbänden, es gibt jedoch keine räumliche Ordnung von Crews. So können Piraten aus mehreren verschiedenen Kreisverbänden eine gemeinsame Crew gründen. Zweitens wird der Zweck von Gebietsverbänden ins Gegenteil verkehrt: §7 Abs. 1 Satz 3 PartG fordert die Möglichkeit der angemessenen Mitwirkung an der Willensbildung in der Partei - Gebietsverbände haben kein Mitspracherecht wen sie in ihrer Mitte zulassen (vom Ersteintritt in die Partei abgesehen); Bei uns ist das auch explizit kodifiziert in §3 Abs 2a Satz 1 Bundessatzung: "Jeder Pirat gehört grundsätzlich der Parteigliederung an, in dessen Zuständigkeitsgebiet er seinen Wohnsitz hat." Abgeleitet wird das ziemlich direkt aus Art 21 Abs 1 Satz 3 GG. Das generelle Abschotten eines Verbands oder einer Partei gegen Neuankömmlinge ist sogar explizit verboten (§10 Abs 1 Satz 3 PartG), obwohl Außenstehende noch nicht einmal von Art 21 Abs 1 Satz 3 GG geschützt werden. Crews allerdings haben ein Abschottungsprivileg:
§6 Abs 2 NRWCrewO: "Die Crew entscheidet auf ihrem nächsten Crew-Treffen über diesen Antrag und teilt das Ergebniss (sic) dem Antragsteller ohne Begründung mit."
Die Crew selbst entschließt wer mitmachen darf und wer nicht. Das entspricht zwar wunderbar den Grundsätzen der Autonomie und Subsidiarität, widerspricht aber der Idee eines Gebietsverbandes in fataler Weise, da es so gerade möglicherweise 'unangenehmen' Leute nicht möglich ist sich auf dieser Ebene einzubringen. Davon ab müsste ich dann fairerweise auch auf die Satzungslosigkeit von Crews eindreschen (§6 Abs 1 Satz 2, u.u.A. Abs 2 Nr. 7 PartG, damit Folge der Unwirksamkeit sämtlicher Beschlüsse) - quasi meine Kernkompetenz, durch die ich mir in Bayern schon einen unrühmlichen Ruf erarbeitet habe. Nein, Crews sind keine Gebietsverbände und wollen auch keine werden.

Ich halte es für wahrscheinlich dass Crews Sonderorganisationen im Sinne des Parteiengesetzes sind, da ihre Existenz an die Partei gebunden sein soll, und sie durch ihre Zusammensetzung rein aus Parteimitgliedern eine definitive Parteinähe erhalten. Aber –man möge mich korrigieren– der Status 'Sonderorganisation' gibt den Crews noch keine Rechtsfähigkeit und keine definierte zivilrechtliche Stellung. Was ist eine Crew also aus Sicht von außen?

Eine Crew ist nicht die Partei und kein Gebietsverband. Dass sie kein eigenständiger Verein sein können erklärt sich bereits am Fehlen einer eigenen Satzung und, wenn man die LV NRW-Satzung irgendwie hineininterpretieren will, an der fehlenden Definition eines Vorstands. Die Crew als eigenständige juristische Person fällt damit generell aus.
Denkbar wäre noch dass es sich um eine GbR handelt. Zumindest könnte man den Versuch der Einstimmigkeitsregelung durch §709 I BGB sogar in diese Richtung deuten. Allerdings wäre dies schon ein abenteuerliches Konstrukt da die Gesellschaft ihr Vermögen komplett von außerhalb qua Existenz erhielte. Und ob die Gesellschafter/Crew-Mitglieder einen vertraglichen Bindungswillen hatten, insbesondere mit den Haftungsfolgen einverstanden sind, ist ebenfalls sehr fraglich. Wenn es sich nicht um eine GbR handelt dann kann ich es nur noch als eine lose, nicht selbst rechtsfähige Gruppierung nach Art 9 GG betrachten.

Worauf will ich hinaus?
Das aktuelle Modell sagt ja: Vertretung des LV durch die Crew. Die Vertretung richtet sich nach
§164 Abs. 1 Satz 1 BGB "Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen."
Da gibt es vier wesentliche Bestandteile, die alle erfüllt sein müssen um eine wirksame Vertretung hinzubekommen. Um mal (wissenschaftlich korrekt) aus Wikipedia zu zitieren:
  1. der Vertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab,

  2. es besteht rechtsgeschäftlicher Handlungswille,

  3. der im Namen des Vertretenen geschieht und

  4. der Vertreter handelt im Rahmen seiner Vertretungsmacht.


Nr 2 ist trivial. Nr 4 ist wohl durch die Satzung gedeckt (eventuell strittig, da z.B. die Gruppe der bevollmächtigten Personen nicht genauer bezeichnet ist, das habe ich aber nicht weiter geprüft. Sind ja schließlich nicht in einem juristischen Seminar). Nr 3 wurde wohl auch in NRW schon angesprochen, und wird auch in Bayern immer wieder zum kleinen Streitpunkt: Wenn Rechnungen nicht auf "Piratenpartei Deutschland Landesverband NRW" ausgestellt werden, dann handelte es sich um keine wirksame Vertretung, und nach §164 Abs. 2 BGB ("Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.") wurde der vermeintliche Vertreter stattdessen selbst Vertragspartner, sprich der Vertrag hat dann mit der Partei und dem LV erstmal gar nichts zu tun. Persönliches Pech.
Bleibt als kritischer Punkt die Nr 1: Der Vertreter gibt eine eigene Willenserklärung ab.

Der Crewnazi hat mal gesagt:
Rechtsgeschäfte zwischen Crews und Dritten sind nichtig

Da Crews keine Parteiorgane sind (man kann das nicht oft genug
erwähnen), dürfen sie keine eigenen Geschäfte abwickeln. Eine Crew
kann sich nicht nach außen in einem rechtsgültigen Geschäft
präsentieren; sie muss ein anderes Organ vorschicken. Was nun mit
Verträgen geschieht, die Crews in ihrem eigenen Namen geschlossen
haben, ist völlig offen. Theoretisch sind diese Geschäfte nichtig;
allerdings können etwaige Forderungen an die Partei bestehen bleiben.
Wie hier verfahren werden kann, muss das Verwaltungsgremium
entscheiden.

Wenn Crews nicht unter die Organschaft einer Partei fallen, wenn Crews unter keine der bekannten Definitionen von juristischen Personen fallen,
wenn Crews keine GbRs sind, dann sind Crews auch nicht rechtsfähig. Wenn Crews nicht rechtsfähig sind, dann haben sie keine Fähigkeit,
selbständig Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Insbesondere können sie keine Willenserklärung abgeben, schon gar keine eigenen.
Damit können Crews aber auch die Partei nicht vertreten, denn die Nr 1 einer wirksamen Vertretung war "der Vertreter gibt eine eigene
Willenserklärung ab"
. Crews können also meiner Meinung nach rechtlich überhaupt gar nicht nach außen auftreten.

Nach dieser Konstellation kann eine Crew zwar beschließen was sie will, aber der Vertragsschluss bleibt der Geschäftsführung des Verbands
vorbehalten, hier dem Vorstand.

Dementsprechend sehe ich die Tabelle des Crewnazis etwas anders, nämlich:
Tabelle: Geschäftsabwicklung und Kostenerstattung
Pirat (Einzeln oder Gruppe)Crew
… holt ein Angebot über einen (Kauf‑)‌Vertrag ein und fordert ohne weitere Vorleistung beim zuständigen Verwaltungsgremium die Abwicklung des Geschäftes an.
… schließt einen (Kauf‑)‌Vertrag (mit einem Piraten als Vertragspartner bzw. Rechnungsempfänger), zahlt selbst und reicht den Zahlungsbeleg dann beim Verwaltungsgremium zusammen mit einem Antrag auf Rückerstattung ein.
… schließt einen (Kauf‑)‌Vertrag (mit einem Parteiorgan als Vertragspartner bzw. Rechnungsempfänger), zahlt selbst und reicht den Zahlungsbeleg dann beim Verwaltungsgremium zusammen mit einem Antrag auf Rückerstattung ein.¹
… schließt einen (Kauf‑)‌Vertrag (mit einem Parteiorgan als Vertragspartner bzw. Rechnungsempfänger), zahlt nicht, sondern reicht die Rechnung dann beim zuständigen Schatzmeister zur Begleichung ein.²
… schließt einen (Kauf‑)‌Vertrag (mit einer Crew als Vertragspartner bzw. Rechnungsempfänger).
1 Mit Bevollmächtigung denkbar, aber nicht sinnvoll.
2 Ja, mit Bevollmächtigung.


Damit hat sich die Idee 'Crews geben selbsttätig Geld aus' für mich ohne weitgehende Crewreform so ziemlich erledigt. Und ich kann mir vorstellen dass Crewmitglieder, die erfahren dass sie selbst möglicherweise als Gesamtschuldner für von ihrer Crew eingegangene Verträge haftbar gemacht werden können, das ähnlich sehen...

Demokratiedefizit I


Demokratiedefizit? Jetzt spinnt er völlig.
Crews sollen ja gerade die Demokratie stärken und Entscheidungsprozesse näher an den einzelnen Piraten bringen. Wie um alles in der Welt kann das als undemokratisch angesehen werden?

Bayern ist ja ein etwas merkwürdiger Staat, besonders wenn man ihn von außen betrachtet. Überall hüpfen jodelnd irgendwelche komischen Gestalten in Lederhosen herum, sprechen eine Sprache die keine Sau versteht, und wählen mit ehemals absoluter Mehrheit eine Partei die keiner mag und bestehen überall auf einer Sonderbehandlung. Dafür ist man dort mit 2 Maß (das entspricht 10 norddeutschen 0,2l-Standard-Biergläsern) noch fahrtauglich, und bist du in der Partei so ist auch eine Trunkenheitsfahrt mit Todesfolge kein Hinderungsgrund für einen Ministerposten. Man liebt den Schadbär - nicht jedoch den Problembär - richtet hier und da elitär ein paar Blumen hin und rückt nebenbei den Hauptbahnhof München mit dem Transrapid in 10 Minuten näher an Bayern. Und man hat auch ein etwas anderes Demokratieverständnis. Dem Bayer ist die Ironie nicht zu schade zwar ins Land (mit wenigen historischen Ausnahmen) nur CSU-Ministerpräsidenten zu wählen, dafür in der Landeshauptstadt München (mit ebensowenig historischen Ausnahmen) nur SPD-Oberbürgermeister. Dies führt nun regelmäßig, beispielsweise in der Anstichzeit des Oktoberfests, in der der Oberbürgermeister Münchens das erste Bier dem Ministerpräsidenten zapft, zu diplomatischen Spannungen. Wenn es aber dann um Geld geht ist die Freundschaft komplett vorbei.

Und so kam der Freistaat vor ein paar Jahren auf die höchst steuersparende Idee: Bildung ist Ländersache, also führen wir das G8 (achtstufige Gymnasium) ein. Schulen sind Sachen der Kommunen, also sollen die doch für die nötigen Investitionen und Umbauten zahlen. Klingt aus seiner Sicht vernünftig.
Dummerweise hat der Bayer, der an sich nicht viel von den Großkopferten (mächtige, einflussreiche Person des öffentlichen Lebens, besonders aus den Bereichen Politik und Wirtschaft) hält, manchmal seine eigenen Ideen wie der Staat funktionieren soll. Und so hat er bereits 2003, und zwar gegen den Willen der damals mit absoluter Mehrheit regierenden CSU, per Volksentscheid einfach die Bayrische Verfassung geändert, und dort in Artikel 83 das Konnexitätsprinzip verankert. A Hund isser ja scho, der Bayer..:
Art 83 Abs 3 BV "Überträgt der Staat den Gemeinden Aufgaben, verpflichtet er sie zur Erfüllung von Aufgaben im eigenen Wirkungskreis oder stellt er besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben, hat er gleichzeitig Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen. Führt die Wahrnehmung dieser Aufgaben zu einer Mehrbelastung der Gemeinden, ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen."
In stark vereinfachten Worten: Wer anschafft, zahlt. Und gewappnet mit diesem Artikel führte sich die Stadt München ein wenig auf, drohte damit vor Gericht zu ziehen, schließlich musste das Land einlenken und selbst zahlen. Und der Bayer freut sich und wählt weiter die CSU ins Land und die SPD nach München. So funktioniert Politik in Bayern.

Auf Bundesebene gilt das Konnexitätsprinzip ebenfalls, es steht in Artikel 104a (insb. Abs 2) Grundgesetz: "Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben."

Die weniger vereinfachte Beschreibung des Konnexitätsprinzip sagt dass Aufgabenwahrnehmung und Ausgabenverantwortung auf derselben staatlichen Ebene liegen. Indem das Land den Kommunen vorgibt wie deren Geld verwendet werden soll, nimmt es die Aufgaben der Landes wahr, übergibt aber die Ausgabenverantwortung den Kommunen. Und verletzt damit die Selbstbestimmtheit der Kommunen, denn diese verlieren damit die direkten Mitbestimmungsrechte über ihre eigenen Mittel. Es gibt auch keine Legitimationskette von der Kommune zum Land, die dem Land irgendwelche Rechte übertragen könnte. Zwischen Land und Bund gibt es dafür ja immerhin noch den Bundesrat, der in Art 104a GG mehrfach gefragt wird.
Die Selbstbestimmtheit und die Konnexität halte ich für einen wesentlichen Freiheitsgrundsatz und für eine wichtige Voraussetzung für eine sinnvolle Demokratie. Könnte der Bund dem Land beliebige Kosten aufbürden, oder das Land der Kommune, dann wäre die Selbstbestimmtheit reine Makulatur, eine Scheinselbstbestimmtheit; Die Subsidiarität und die vertikale Gewaltenteilung an dieser Stelle ein Witz.

Im Landesverband Nordrhein-Westfalen ist das Konnexitätsprinzip umgekehrt verletzt: Die Kleinen, die Crews, schaffen an und entscheiden über den Geldfluss, aber das Land, beziehungsweise der Landesverband, wird in die Pflicht genommen und zahlt.
Gut, nun müsste man natürlich sagen: Ja, aber der Landesparteitag hat doch als höchstes Organ des Landesverbands mittels Satzung beschlossen dass Crews der Großteil der Mittel zufallen soll. Wir reden bei NRW so etwa über 56-67.000€ von 60-70.000€, also zwischen 93% und 95% der planmäßigen Gesamteinnahmen zuzüglich zukünftiger ungeplanter Einnahmen.
Und ja, genau das ist das undemokratische Problem. Denn zwischen Crews und dem Landesverband besteht ebenfalls in keine Richtung eine Legitimationskette. Der Landesverband hat bei den Crews kein Mitspracherecht was die Geldausgaben angeht, die Mitglieder des Landesverbandes (zum absoluten Großteil) auch nicht, und die Repräsentanten des Landesverbandes und seiner Mitglieder (nämlich der Vorstand) auch nicht. Ist der Landesverbands-Basispirat bei Crews antragsberechtigt? Nein, natürlich nicht. Ist der Landesverbandsvorstand bei Crews antragsberechtigt? Nein, natürlich nicht! Hat ein einzelnes Landesverbandsmitglied Möglichkeit der Teilhabe an den Crewmitteln? Nur wenn eine Crew entscheidet ihn aufzunehmen, nur solange der Basispirat aktiv teilnimmt, und auch dann nur an den Mitteln dieser einen Crew. Projektbezogene Finanzierung? Fehlanzeige. Größere Finanzierungen, zum Beispiel ACTA-Flyer (wobei eine Flyerbestellung nun wirklich nicht 'groß' ist)? Fehlanzeige.

So das Bild nach der 'wer anschafft, zahlt'-Definition. Wie sieht es denn mit der vollständigen Definition aus? Aufgabenwahrnehmung und Ausgabenverantwortung? Die Crew nimmt die Aufgaben wahr, natürlich. Trägt sie auch die Verantwortung? Nein, trägt sie nicht. Der Landesverband wird Vertragspartner, der Landesverband trägt den Verwaltungsaufwand, den Landesverband trifft die Rechenschaftspflicht und der Landesverband (vertreten durch dessen Vorstand, besonders durch dessen Schatzmeister) muss die Ausgabe gegenüber dem Bund, dem Bundesschatzmeister, der Wirtschaftsprüfung, dem Finanzamt und dem Bundestagspräsidium verantworten. Die Crew, die den betreffenden Beschluss gefasst hat, trägt keine Verantwortung. Nochmal: 95% der Mittel, 0% der Verantwortung. Das ist nicht Basisdemokratie, das ist Crewdiktatur!

Und deshalb halte ich das Crewmodell in der aktuellen Form, wie es demokratisch vom LPT NRW beschlossen wurde, für hochgradig undemokratisch.

Und wem die Beschreibung zu diesem Punkt zu abstrakt, zu akademisch, zu realitätsfern ist - im nächsten Teil kommt ein Demokratiedefizit II. Das wird konkret, realitätsnah, und unter die Haut gehen.

Verantwortung Formal


Der absoluter Knackpunkt der Geschichte, ein ungeliebtes Wort und verhasstes Konzept. Sind wir ehrlich: Parteitage sind schön. Mittels Kärtchen überall mitreden dürfen, und nirgendwo persönliche Konsequenzen befürchten. Aktives Wahlrecht ist immer toll.
Das passive Wahlrecht ist nicht mehr ganz so nachteilsfrei. Lässt man sich beispielsweise in einen Vorstand wählen, so kann man zwar erst recht überall mitreden, aber man muss – wenn man nicht den Aaron König macht – am nächsten Parteitag einen Rechenschaftsbericht abgeben. Und auch der übergeordneten Gliederung einen finanziellen Rechenschaftsbericht abgeben. Und als Vorstand sowieso jede einzelne Entscheidung vor der Basis vertreten können. Alles kann in Frage gestellt werden, und vieles wird in Frage gestellt.

Wie verhasst dieses Wort Verantwortung (hier genauer: Rechenschaft) ist, habe ich in der NRW-Vorstands-Mumblesitzung vom 1.6.2010 auf charmante Weise erfahren. Bernd Schlömer, seines Zeichens unser Bundesschatzmeister, hat bei mindestens 4 Gelegenheiten betont dass Crews bei eigentverantwortlicher Geldverteilung rechenschaftspflichtig werden. Das Wort -und das Konzept- 'Rechenschaft' hat es nicht in die Erstfassung des Protokolls geschafft. Irgendwie hat es jeder geschafft um die Aussage herumzuhören.

Was also heißt Rechenschaft? Wenn jemand einen anderen einen Auftrag erteilt, so wird der Auftragnehmer dem Auftraggeber auskunfts- und rechenschaftspflichtig. (Beispielsweise kodifiziert im §666 BGB, zu schön um ihn nicht zu zitieren) Diese Auftragserteilung ist nicht nur fallweise zu sehen, sondern auch in der generellen Form der Beauftragung, beispielsweise bei der Wahl von einem Vorstand beauftrage ich, beziehungsweise die Mitgliederversammlung, ihn den Verband zu vertreten und seine Geschäfte zu führen. Damit die Vertretung und Geschäftsführung stattfinden kann, gebe ich ihm ausserdem Mittel an die Hand. Das politische Mittel ist die Partei an sich (quasi 'der gute Name'), das Recht den Verband nach innen und außen zu vertreten und bindende Beschlüsse zu fassen. Und die finanziellen Mittel sind — naja, eben die finanziellen Mittel, das gesamte Vermögen. Auch einer Regierung übertrage ich beispielsweise Teile meiner natürlich zustehenden Rechte (z.B. das Recht Gewalt anzuwenden, aber auch das Legislativrecht generell, und Teile meines Eigentumsrechts beispielsweise für Steuern). Aus diesem Grund ist die Regierung, aber auch der Vorstand rechenschaftspflichtig. Letzterer eben dem beauftragenden Gremium, nämlich der Mitgliederversammlung — dem Parteitag.

Und selbstverständlich entsteht diese Rechenschaftspflicht nicht nur gegenüber dem Vorstand, sondern gegenüber allen vom Verband beauftragten Personenkreisen. Und damit auch gegenüber Crews. Denn auch wenn sie keine Vertretungsbefugnis haben, wird ihnen doch die Verwendung von Mitteln des Verbandes übertragen. Jetzt ist es, auch ohne das Ziel 'Transparenz' im Parteiprogramm stehen zu haben, eigentlich die Pflicht einer jeden Crew dem Landesparteitag Rechenschaft abzulegen. Insbesondere müssten aus Transparenzgründen auch viele Namen genannt werden. Beides geschieht derzeit natürlich nicht. Und beides ist etwas das bei einer Crewreform beachtet werden muss.

Verantwortung Inhaltlich


Nun etwas weg von der allgemeinen Rechenschaftspflicht, hin zum Inhalt der Rechenschaftspflicht über finanzielle Mittel. In der Partei umfasst diese prinzipiell eine korrekte Verbuchung aller Mittelbewegungen nach bestem Wissen und Gewissen - soweit denke ich ist das auch jedem klar. Dann allerdings kam die Frage auf ob denn eine Partei Geld völlig beliebig ausgeben darf. Die naheliegende Antwort ist: Ja, natürlich - ist ja schließlich unser Geld. Und auch wenn ich gefühlsmäßig mit dieser Aussage ein Problem hatte, konnte ich längere Zeit nicht genau beschreiben wo denn nun systematisch das Problem an dieser Aussage liegt. Es hat mich ein paar Stunden Recherche gekostet, und war mal wieder ein Lehrstück in Baum-vor-lauter-Wald-nicht-sehen. Und bedarf mal wieder einem kleinen Exkurs.

Parteien haben in Deutschland eine besondere Stellung. Es beginnt bereits mit der symbolischen Stellung im Grundgesetz: VOR dem Verfassungsgericht, VOR dem Präsidenten, VOR dem Bundesrat, VOR dem Bundestag, VOR der Ausgestaltung des föderalen Bund-Länder-Verhältnisses - Parteien folgen direkt auf die Grundrechte (Art 1-19) und die Definition des föderalen Rechtsstaates (Art 20). [Und Art 20a, dem grundgesetzlichen Äquivalent des in der Rechtsprechung unglaublich relevanten §90a BGB. Gut, Symbolik ist eben doch nicht alles.]

Politische Parteien sind nach §1 Abs 1 Satz 1 PartG ein "verfassungsrechtlich notwendiger Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung", und – ein bekannter rheinlandpfälzischer Noch-Pirat wird mich dafür hassen – politische Parteien werden sogar dem harten verfassungsrechtlichen Kern des Grundgesetzes zugeordnet, und sind damit als integraler Bestandteil des Demokratieprinzips (Art 20 Abs 1, 2 GG) sogar von der Ewigkeitsgarantie, dem Art 79 III GG, geschützt. (Kersten/Rixen §1 Rn 11) Das Grundgesetz und auch das Verfassungsgericht heben politische Parteien, soweit sie Instrument für die politische Willensbildung sind, sogar in den Rang einer verfassungsrechtlichen Institution. Parteien sind aber keine Staatsorgane und keine Teile der Staatsorganisation. (Kersten/Rixen §1 Rn 17)

In der ursprünglichen Fassung stand im Grundgesetz einmal
Art 21 Abs 4 GG a.F.: "Sie [die Parteien] müssen über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben"
Mit Wirkung zum 1.1.1984 wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, FDP und gegen die Stimmen der Grünen, der Absatz geändert:
Art 21 Abs 4 GG n.F.: "Sie [die Parteien] müssen über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft geben."
Aus der damaligen Begründung (BT-Drs 10/697, S. 4) lässt sich die Motivation herauslesen:
Der Ausschuß teilt die Folgerung der Sachverständigen-Kommission, daß gerade wegen der Gewährung öffentlicher Mittel an die Parteien die Transparenz der gesamten Parteifinanzen verbessert werden muß. Dazu gehört vor allem, daß der Rechenschaftsbericht auch Auskunft über die Verwendung der Mittel gibt.
Herausragende Position verpflichtet auch zu Verantwortung. Und genau deswegen können Parteien einfach bereits dadurch, dass sie Parteien sind, von Anfang an ihr Geld nicht völlig frei verwenden. 1983 ging es hauptsächlich um Transparenzbemührungen. Damals hieß die staatliche Teilfinanzierung auch noch Wahlkampfkostenerstattung, und hatte damit eine implizite Zweckbindung. Der Name und die finanzielle Größenordnung änderte sich zehn Jahre später. Seitdem steht die Ausgestaltung und logische Folgerung so im Parteiengesetz:
§1 Abs 4 PartG: "Die Parteien verwenden ihre Mittel ausschließlich für die ihnen nach dem Grundgesetz und diesem Gesetz obliegenden Aufgaben."

§18 Abs 1 Satz 1 PartG: "Die Parteien erhalten Mittel als Teilfinanzierung der allgemein ihnen nach dem Grundgesetz obliegenden Tätigkeit."
Dem Gesetzgeber war die Aussage klar genug, dass er selbst auf eine weitere Beschreibung verzichtete, und bei der Einführung des §1 Abs 4 PartG im Jahr 1994 nur "Die Regelung soll eine aufgabenentsprechende Verwendung der Mittel gewährleisten." notierte (BT-Drs 12/5774, S. 13).

Die Ausgaben der Partei müssen im Rechenschaftsbericht also zwei Bedingungen erfüllen: Sie müssen formal korrekt verbucht sein, und es muss sich inhaltlich um eine erlaubte Ausgabe handeln.
Natürlich kann eine Partei auch mal seinem Ehrenvorsitzenden ein Abendessen spendieren, oder seiner Jugendorganisation ein Sommerfest. Es kommt auf das Gesamtbild an.

Und das stellt jetzt den Landesvorstand vor ein interessantes Dilemma: Die Auslegung des §1 Abs 4 PartG kann jetzt dazu führen dass eine einzelne Ausgabe einer Crew an sich rechtmäßig ist, und damit per Satzung nicht abgelehnt werden kann. In der Gesamtschau aller Ausgaben, oder bereits mehrere solche Ausgaben gesammelt könnten aber nicht mehr rechtmäßig sein, und dann problematisch werden. Da 95% der Ausgaben über Crews laufen, kann der Vorstand auch nichts mehr großartig ausgleichen.
Aber die Verantwortung dafür trifft alleine den LV-Vorstand, besonders natürlich den LV-Schatzmeister. Die Crewmitglieder sind faktisch unangreifbar. Und jetzt muss man sich vor Augen führen wie die Verantwortungsschiene abläuft. Wenn also der worst-case eintritt, und die Parteienfinanzierung gekürzt wird, dann wird das dem Bundesvorstand mitgeteilt. Der wird dann etwas nervös und angefressen, und sich den entsprechenden Landesvorstand zur Brust nehmen. Der Landesvorstand kann nun weder sich selbst aus der Schusslinie nehmen, also dem Bundesvorstand zum Beispiel einen Kreisverband vor die Nase halten, noch die Verantwortung ihrerseits delegieren. Denn wenn überhaupt eine oder mehrere bestimmte schuldige Crews ausgemacht werden können (da es ja eben auf die Gesamtschau ankommt) dann wird es die betreffende Crew zu diesem Zeitpunkt entweder bereits nicht mehr geben, oder garantiert nicht mehr in dieser Zusammensetzung. Ob dann gegen einzelne Crewmitglieder vorgegangen werden kann bleibt ebenfalls wieder offen. Ordnungsmaßnahmen? Immerhin noch denkbar. Finanzielle Verantwortung oder gar zivilrechtliche Ansprüche? Eher nicht.

Und jetzt verlassen wir mal die hypothetische Ebene, und kommen auf die Realität zurück. Nachdem ich prinzipbedingt mich desöfteren auch mit aktuellen Bundesvorstandsmitgliedern unterhalte, und dabei auch mal das Thema der NRW-Crews auf den Tisch kam, wurde mir eine weitere Problemkomponente bewusst. Angenommen eine einzelne Crew baut selbständig genug Mist in finanzieller Hinsicht dass der Bundesvorstand aufmerksam wird. Was passiert? Der Bundesvorstand kann sich an die einzelnen Crewmitglieder wenden, die natürlich nicht gegen die NRW-Satzung verstoßen haben, und auch gemeinsam wohl schwer greifbar werden was Ordnungsmaßnahmen angeht. Oder er kann sich an den LV NRW wenden. Und in diesem Fall wird der erste Schritt der Landesverbandsvorstand sein, denn der hat seinen Kopf dank dem Rechenschaftsbericht ja für den Bundesvorstand schön komfortabel bereits in der Schlinge. Allerdings wird der Bundesvorstand auf lange Sicht keine Ergebnisse vom LV-Vorstand bekommen können, denn dieser ist ja an seine eigene Satzung gebunden. Und damit bleibt dem Bundesvorstand ja nichts anderes mehr übrig als gegen den Landesverband selbst vorzugehen. Und das bedeutet im schlimmsten Fall wenn NRW die Bundespartei gefährdet (und das sind jetzt nicht meine Worte) auch den Ausschluss des Landesverbandes.

Auch das ist eine Frage die der LPT NRW für zukünftige Satzungen berücksichtigen sollte: Ist es wirklich im Interesse des Landesverbands die Verantwortung Einzelnen abzunehmen und sich damit selbst als dankbares Opfer aufzustellen?

Zwischenstand



Ich würde sagen dass die Definition des jetzigen Crewsystems so unausgereift ist dass nichts anderes übrigbleibt als in genau die bekannten Fallen hineinzulaufen, und fehlerhaft damit umzugehen. Es spricht meines Erachtens nichts dagegen ein Crewsystem aufzumachen, aber es muss genau definiert werden wie weit die Befugnisse einer Crew gehen sollen, welche Rahmenkonstrukte dafür notwendig sind, und welche Verpflichtungen damit die Crews und deren Mitglieder eingehen müssen.

Denn so hart wie es klingt: Rechte ohne Pflichten gibt es nunmal nicht.