Mittwoch, 20. Mai 2015

Wiedereintrittswelle

Der Trend ist ungebrochen. Zeit die Vorhersage anzupassen. Der Absturz am Ende wurde durch den LV Bayern verursacht, der jetzt die Nichtzahler von 2012 (!) rausgeworfen hat.

Mittwoch, 28. Januar 2015

Institutionalisierter Blindflug II

Ein Nachtrag zu Institutionalisierter Blindflug

Finde das Muster in den Mitgliederzahlen:
  09.01.2013  M = 33,570
  05.01.2014  M = 29,601 (- 3,969)
  05.01.2015  M = 23,813 (- 5,788)
Gut, dass ich nicht den angegebenen Wert der zahlenden Mitglieder zum Jahresbeginn anschaue (wie von einigen Kommentaren gewünscht). Denn dann:
  2013: S = ~20,000
  2014: S =  ~5,000
  2015: S =     713
Kann man drehen und wenden wie man will: Die Partei hat ein Problem. Oder man macht es wie der Bundesvorstand, und ruft nach der Wiedereintrittswelle die "Synergie-Implosion" aus.

Zusammen mit dem letzten Blogpost hatte ich im September diese Grafik getwittert: Obwohl ich dafür einige blöde Kommentare einstecken durfte, habe ich den Abstieg wohl doch zu konservativ eingeschätzt: Aktuell sind wir der Vorhersage etwa 4 Monate voraus.

Spannend wird es nochmal in den nächsten Monaten, wenn der Bundestag den Parteienrechenschaftsbericht 2013 veröffentlicht. Die Partei veröffentlicht diesen nicht mehr selbst, da zuviel Transparenz ungesund ist. 2013 ist das erste Jahr nach Peak Pirate, das erste Jahr des wir-wollen-es-nicht-wahrhaben-Niedergangs. Dann wird sich die Das-stimmt-schon-alles-Weiter-so-Brigade etwas neues einfallen lassen müssen. ¯\_(ツ)_/¯

Mittwoch, 24. September 2014

Institutionalisierter Blindflug

Disclosure Statement: Der Autor ist nicht links, nicht rechts, sondern sitzt seit etwa 2 1/2 Jahren dem Bundesschiedsgericht der Piratenpartei Deutschland vor. Zwar hat er kein besonderes Hühnchen mehr mit irgendwelchen Vorständen zu rupfen, aber andererseits hat er sich noch nie ein Blatt vor den Mund genommen. Er erwartet ohnehin schon lange nicht mehr, dass sich nach einer kurzen Empörung irgendetwas ändern würde. Zudem sind die hier vorgestellten Zahlen unabhängig davon, wer gerade das Ruder in der Hand hat.
Lesezeit: ~20 Minuten. Tl;dr: Mitgliederschwund, aber keine Konsolidierung und keine Wiedereintrittswelle. Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.

"Ich wurde heute auch gefragt ob wir einen Exodus an Mitgliedern haben, also einen dramatischen Mitgliederschwund. Das kann ich so nicht sehen. Wir haben seit Jahresanfang 700 Mitglieder die ausgetreten sind, 500 Mitglieder die eingetreten sind. Das ist zumindest das was ich von der Bundesgeneralsekretärin an Zahlen bekommen hab aus unserem Mitgliederverzeichnis. Und das zeichnet jetzt irgendwie nicht das Bild von 'alle laufen weg'." Stefan Körner, Vorsitzender des Bundesvorstands, 22.09.2014

Wie steht es um die Piratenpartei, genauer ihre Mitgliederzahlen? Warum schreibt die böse Presse aktuell von einem Mitgliederschwund? Wie ist es vereinbar, dass gefühlt die Leute reihenweise austreten, Parteigremien und -positionen handlungsunfähig, unter- oder gar nicht besetzt sind, wenn doch alles in Ordnung ist? Nicht nur ist alles in Ordnung – Nein! – die Rede ist sogar von einer Wiedereintrittswelle, einem Mitgliederzuwachs, sogar einer Steigerung der Zahl der Aktiven um 5% seit der Wahl des neuen Bundesvorstands. Und von einem Mitgliederschwund könne gar nicht die Rede sein, es handele sich bestenfalls um eine Konsolidierung der Mitgliederdatenbank, da es so viele Nichtzahler gibt.

Ich möchte euch in diesem Blogpost zeigen, wie diese Aussagen miteinander vereinbar sind, warum man aus denselben Zahlen so unterschiedliche Schlüsse ziehen kann, und wie es wirklich um die Zahl der Parteimitglieder bestellt ist.


Mitgliederschwund? Irrelevanter Graph von Fantasiedaten? Indiz einer Systempresseverschwörung? Quelle

Dafür müssen wir aber zunächst klären was wir meinen wenn wir von "Mitgliederzahlen" reden.
Prinzipiell müsste die Welt doch ganz einfach sein: Es gibt 7 Milliarden Menschen auf dem Planeten. Jeder Mensch ist entweder Mitglied in der Partei, oder nicht. Wunderschön digital. Drinnen oder draußen. Piraten lieben es einfach. Es gibt also zwei Populationen. Um von außen reinzukommen, muss man einen Antrag ausfüllen und den Mitgliedsbeitrag zahlen. Um von innen rauszukommen muss man austreten oder rausgeworfen werden. Nur ist die Realität natürlich nicht so einfach; es gibt noch einen dritten Status: den Nichtzahler. Das sind Mitglieder, die mindestens 3 Monate mit ihrem Mitgliedsbeitrag in Rückstand sind. Um Nichtzahler zu werden, muss man Mitglied gewesen sein, und dann, wie der Name sagt, nicht zahlen. Wenn man dann zahlt wird man wieder Mitglied, und wenn man lang genug nicht zahlt, wird man irgendwann rausgeworfen. Piraten lieben es eben auch kompliziert.

Mit diesem Wissen sollte nun die Frage "Wieviele Mitglieder hat die Partei?" ziemlich einfach beantwortbar sein. Und diese Frage wird auch regelmäßig beantwortet. In jeder Bundesvorstandssitzung (z.B. auf der vom 11.09.2014, Zeile 100) wird die Zahl der Mitglieder verkündet. Ich nenne diese Mitgliedermenge mal M.
M ist definiert als die bundesweite Zahl aller Mitglieder, eingeschlossen alle Nichtzahler. Für M haben wir die beste Datenbasis, mit Werten zurück bis 2006. Zeichnet man M auf, ergibt sich folgendes Bild:

Es ist offensichtlich, dass es mit M bergab geht. Am 09.01.2013 war M = 33,570, am 05.01.2014 war M = 29,601, und am 23.09.2014 war M = 26,276. Es braucht kein Genie um festzustellen dass M im Vorjahr um 3,969, und in diesem Jahr sogar noch etwas schneller, um 3,325 gefallen ist. M berücksichtigt unterjährige Eintritte und explizite Austritte. Laut M hat die Piratenpartei im Jahr 2014 absolut 3,325 Mitglieder verloren. Akzeptiert man M als aussagekräftige Zahl, dann muss man sich einen dramatischen Mitgliederschwund eingestehen.

Dazu ist man natürlich nicht bereit. Also muss etwas mit M nicht stimmen. Und völlig klar: M beeinhaltet auch die Nichtzahler. Also die, die nie wirklich eingetreten sind. Die, die keine Beiträge zahlen. Die, die mal jemand anmahnen müsste. Aber eben auch die, die sich ohne eine explizite Austrittserklärung verabschieden. Entsprechend wird also argumentiert, dass M eine irrelevante Messgröße sei: Es komme schließlich auf die Zahl der zahlenden Mitglieder an.

Also definieren wir die Mitgliedermenge S als die bundesweite Zahl aller stimmberechtigten (zahlenden) Mitglieder. Mit S wird es schwieriger. Es gibt keine regelmäßige Veröffentlichung dieser Zahl. Sie wird grundsätzlich nur um Parteitage herum thematisiert. Es gibt wenige historische Werte auf Bundesebene, und einige, aber auch wieder nur vereinzelte, Messpunkte auf Landesebene. Für den Zeitraum vor November 2012 gibt es überhaupt keine Daten. S verhält sich auch weniger schön als M. S hat einen deutlichen Jahreszyklus: Am Anfang jedes Jahres geht S auf ein Minimum, da viele Mitglieder noch nicht bezahlt haben. Anschließend steigt S über das Jahr langsam und stetig, oder, wenn Parteitage stattfinden, durchaus auch mal sprunghaft. Alleine eine Zunahme von S bedeutet deshalb natürlich nicht, dass plötzlich mehr aktive Mitglieder da wären. Parteitage sind über das Jahr verstreut, und nie an denselben Terminen. Jahresendwerte für S sind nicht herauszufinden, obwohl sie aus der Mitgliederdatenbank herauslesbar sein müssten. In den Rechenschaftsberichten (welche zu finden eine separate Herausforderung darstellt) taucht sie nicht auf. Eine offizielle Statistik gibt es nicht. Eine offizielle Grafik gibt es nicht. Nur dank der unermüdlichen Arbeit von einigen wenigen, die die historischen Daten für M und S zusammengetragen haben, kann man auch diese darstellen. Und weil diesen Schritt bisher noch niemand gemacht hat, gibt es hier – als exklusive Erstveröffentlichung – die Entwicklung von S:

Die wilde Auf- und Abfahrt von S ist klar zu erkennen. Auch der langsame unterjährige Anstieg ist schön sichtbar. Und auch einige Bewegungen, die eigentlich nicht sein dürften: Zum Beispiel sind bis Mai 2013 sehr viele, sehr starke Abwärtssprünge zu sehen. Der Mitgliedsbeitrag ist am Jahresbeginn fällig, und ein Mitglied kann kaum während des Jahres in Verzug kommen. Wenn S sich nach unten bewegt, dann eigentlich nur durch Austritte. Aber Austritte in dieser Größenordnung? Ob das diese Konsolidierung ist? Die Korrektur eines Mitgliederfehlbestandes? Da M sich nicht mitbewegt hatte, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass erst ab diesen Zeitpunkten geprüft wird ob ein Mitglied überhaupt stimmberechtigt ist, und die Anlaufschwierigkeiten sich in der Grafik niederschlagen. Um November 2013 ist nochmal ein Ausreisser nach unten zu sehen. Der Grund hierfür liegt im Landesverband Niedersachsen. Zeitweise wurden dort lediglich 50 stimmberechtigte Mitglieder geführt, anstatt der sonst angegebenen ca. 1,200 Mitgliedern. Daher die punktuellen Abstürze. Berücksichtigt man diese Effekte, kann folgendes abgelesen werden:

Da S sich über das Jahr entwickelt, macht es keinen Sinn die absoluten Werte von S unterjährig zu vergleichen. Stattdessen kann man sich an die Jahresendwerte halten. Ausgehend von der, ab der 2. Jahreshälfte 2013 sichtbaren, essentiell linearen Entwicklung von S und der bisherigen Entwicklung von S im aktuellen Jahr, kann man für den 31.12.2014 S = 10,543 vorhersagen (in schwarz angezeichnet). Das klingt auch durchaus realistisch, insbesondere da weder große Wahlen noch ein weitere Bundesparteitag ansteht. Am 30.12.2013 war S = 12,912. Das entspräche einem Mitgliederschwund von 2,369 stimmberechtigten Mitgliedern im Jahr. Laut der S-Prognose hat die Piratenpartei in den ersten 9 Monaten des aktuellen Jahres also 1,777 stimmberechtigte Mitglieder verloren.

Nun sind Voraussagen immer unzuverlässig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. In der freien Wirtschaft hat man das auch schon gemerkt, und den Periodenvergleich erfunden (in blau angezeichnet). Ausgehend vom letzten Messwert S = 9,053 am 23.09.2014 und S = 11,624, dem Wert vom 23.09.2013, muss man von 2,571 verlorenen Mitgliedern im Jahresmittel ausgehen, das entspräche einem Abgang von 1,928 stimmberechtigten Mitgliedern in diesem Jahr.

"Es ist in der Tat eine Forderung die öfter an die Verwaltung herangetragen wird, dass wir unsere Mitgliederzahl mal konsolidieren, eben weil wir eine Zahlerquote von 34% haben. Natürlich kann man mir jetzt einen Strick draus drehen, wenn ich sage, die Austritte sind alle dieser Konsolidierung zu verantworten, aber das ist tatsächlich ein Ziel auf das die Verwaltung hinarbeitet."
Stephanie Schmiedke, Bundesgeneralsekretärin, 22.09.2014

Vielleicht kommt ja noch der Konsolidierungsprozess. Nichtzahlende Mitglieder werden angemahnt, dadurch reaktiviert, die Abweichungen zwischen M und S minimiert und die Parteikasse gefüllt. Wenn wir aber die Zahlen für M und die Zahlen für S haben, dann sollte der Konsolidierungsprozesses doch wunderbar in der historischen Zahlerquote S geteilt durch M sichtbar werden:

Tja. Die Piratenpartei arbeitet seit vielen Jahren am Konsolidierungsprozess. Wirkliche Fortschritte gibt es nicht. Ja, die Zahlerquote steigt; sie kann aber auch nicht anders. Für eine fallende Zahlerquote müsste S fallen oder M steigen und S gleichbleiben. Beides ist nicht möglich: S fällt nicht (wie schon beschrieben), und wenn M steigt, dann steigt S um die gleiche Zahl, da Neumitglieder ihren Beitrag zahlen müssen. Im historischen Rückblick des Konsolidierungsprozesses wurde am 23.09.2014 (34.4% Zahlerquote) erstmals im Jahr der Stand vom 10.07.2013 (34.4%) erreicht. Wir hinken also im Jahresvergleich mehr als 2 Monate hinterher. Im Gegensatz zu 2013 steht aber kein Bundesparteitag mehr an. Der Konsolidierungsprozess bedarf entweder dringend selbst einer Konsolidierung, oder er ist einfach nur ein Wunschtraum.

Drei verschiedene Methoden, alle basierend auf offiziellen Zahlen, zeigen also jeweils einen Abgang von 3,325 Mitgliedern (M), beziehungsweise 1,777 (S-Prognose) und 1,928 (S-Periodenvergleich) stimmberechtigten Mitgliedern. Der Bundesvorstand hingegen stellt einen Abgang von 200 Mitgliedern fest. Die kritische Basis vermutet sogar ein Pressemärchen. Wie passt das zusammen?

Ich vermute drei überlappende und sich gegenseitig bedingende Ursachen.

Irreführung

Die veröffentlichten Mitgliederzahlen sind irreführend. Die Praxis zwei Zahlen zu veröffentlichen ist zwar grundsätzlich in Ordnung, führt aber zu Folgeproblemen. Im Wiki werden uralte Zahlen verbreitet. Nur M wird regelmäßig auf Bundesebene veröffentlicht, ist aber eine ungeeignete Metrik. Eine regelmäßige Veröffentlichung von S gibt es nicht. Schlimmer noch, S lässt sich meist nur aus alten Landeswerten zusammensetzen, Bundeswerte gibt es nur wenige Male im Jahr. Wenn es diese Werte gibt, dann werden sie bei Bedarf herausgegeben. Einen verlässlichen Jahresendwert gibt es nicht. Wer 'Irreführung' für ein unpiratiges Wort (was auch immer das sein mag) hält, der möge stattdessen 'Intransparenz' lesen.

Selbstbetrug

Diese Praxis der Zurückhaltung von Information (und ich unterstelle keine Absicht, sondern stelle nur fest was passiert) ermöglicht Selbstbetrug. Die Mitgliederzahlen fallen? Dann sind es falsche Zahlen. Oder veraltete Zahlen. Oder sie fallen möglicherweise, aber es gehen ja nur die Nichtzahler. Oder sie fallen gar nicht, weil ja Effekte X, Y und Z nicht berücksichtigt sind.
Dummerweise hört dann gerade hier die kreative, widersprechende Kritik auf. Hier müssten die eigentlichen Fragen erst anfangen: Warum werden Zahlen veröffentlicht, mit denen niemand etwas anfangen kann? Warum wird in der Bundesvorstandssitzung quasi rituell die Mitgliederzahl M vorgelesen, wenn anschließend M nicht benutzt werden darf, da es ja falsche Zahlen sind? Warum gibt es keine geordnete Veröffentlichung von S? Die Veröffentlichungs- und Berechnungspraxis von S hilft dem Selbstbetrug: Unterjährig kann S praktisch nur zunehmen, ein Mitgliederschwund ist quasi ausgeschlossen. Und zwischen den Jahren fällt S selbstverständlich. Da darf man dann natürlich erst recht keinen Mitgliederschwund herauslesen. Lehnt man jetzt also auch noch Jahresendvergleiche ("Schnee von gestern!") und Periodenvergleiche ("Berücksichtigt nicht verschiedene Parteitagstermine!") ab, ist S die perfekte Metrik um sich selbst zu belügen.
Die im Wiki unregelmäßig veröffentlichten Zahlen sind auch nicht hilfreich: Denn wenn die Zahl-aktualisierer selbst gehen, endet mit ihnen auch der sichtbare Mitgliederschwund.

Realitätsverweigerung

Setzt man sich jedoch hin, und versucht objektiv zu ermitteln was denn nun genau mit der Mitgliederbasis passiert, dann rennt man argumentativ stets gegen Wände. Die Mitgliederzahl sinkt? Das muss Teil des Konsolidierungsprozesses sein. Es gibt keinen Konsolidierungsprozess? Dann sind deine Zahlen falsch. Die Zahlen sind richtig? Dann ist der letzte Bundesvorstand schuld. Den Zahlen nach verschwand die Hälfte eines Landesverbandes nach der Wahl des neuen Bundesvorstands? Dann ist Twitter nicht das richtige Medium um darüber zu reden. Alternativ bist du auch einfach nur doof oder ein linksextremistischer Troll. Dein Landesverband hat sich in Luft aufgelöst? Das waren sowieso alles die falschen Leute, und damit können die richtigen Leute endlich wieder eintreten.

Manchmal ist die Wahrheit hart: Es gibt einen Mitgliederschwund. Es gibt keine Konsolidierung. Es gibt keine Wiedereintrittswelle, und selbst wenn es eine Wiedereintrittswelle gäbe, dann handelt es sich mehr um ein eingehendes Wellchen, welches der Ebbe nichts anhaben kann.

Ich unterstelle niemandem dass er/sie vorsätzlich irreführen will. Oder sich selbst betrügen will. Oder sich der Realität verweigern will. Alle drei Ursachen sind miteinander verwoben und auch jeweils Symptome der anderen beiden. Ich fasse das mal in einem Begriff zusammen:

Institutionalisierter Blindflug

"Wir könnten dort drei Monate lang Pläne machen und nach drei Tagen sind sie wieder hinfällig. In der Politik kann man eigentlich gar nicht groß anders als zu schauen: Wie ist die aktuelle Entwicklung — und dann jeweils das Beste draus machen."
Michael Ebner, Beisitzer im Bundesvorstand, 22.09.2014

Diese Betriebsblindheit ist symptomatisch für diese Partei. Entscheidungen werden grundsätzlich in Unkenntnis der Faktenlage getroffen. Dass Entscheidungen im Regelfall auf Fakten basieren sollten, hat sich nicht herumgesprochen. Relevante Fakten werden durch Scheintransparenz ersetzt. Seit jeher wird in Bundesvorstandssitzungen – ebenfalls rituell, quasi als piratiger Transparenz-Zauberspruch – der Kontostand vorgelesen. Eine sinnvolle Kenngröße? Nein, natürlich nicht. Mein Kontostand sagt mir nicht, ob mir dieses Geld gehört. Das würde in einer Bilanz stehen. Die Zahl sagt mir nicht wie es der Partei geht. Das würde in einer Gewinn- und Verlustrechnung stehen. Die Zahl sagt mir nur dass ich soviel Geld auf dem Konto habe. Die Liquidität ist also gesichert. Zumindest für heute. Hurra. Und eine Bilanz oder eine Gewinn- und Verlustrechnung? Die Partei bezahlt ja auch einen Wirtschaftsprüfer. Was prüft der zur Zeit so? Naja, nach 2011 gibt es dazu keine Informationen mehr auf Piratenseiten. Interesse dafür muss auch nicht bestehen: schließlich wissen wir den Kontostand. Und solange Geld auf dem Konto ist, können wir uns alles leisten.

"Könnte man bestimmt, nur was würde es uns bringen?
Jürgen Grothof, Beisitzer LV Rheinland-Pfalz, 23.09.2014 auf die Nachfrage ob man denn die Zahlen der stimmberechtigten Mitglieder auch regelmäßig veröffentlichen könne

Das Muster wiederholt sich immer und immer wieder. In Firmen und größeren Institutionen gibt es Gremien, die dieser Betriebsblindheit entgegen stehen sollen. Bei den Piraten ist sie aber immanentes Programm. Konsequent und auf allen Ebenen. Und daran wird auch dieser Blogpost nichts ändern. Warum werden die Ursachen der Wahlschlappen nicht auf Parteitagen debattiert? Weil das unangenehm wäre. Und unangenehme Fakten verdrängt man lieber. Leute, die auf die Probleme zeigen, werden als Teil des Problems begriffen. Betriebsblindheit ist hier nicht ein unerwünschter Nebeneffekt eines Gesamtprozesses, sondern systematisch Teil der piratigen Governance.

Ein schönes Beispiel: Am Jahresbeginn entschied der Bundesvorstand den PShop, quasi den bundesweiten Wahlkampfmerchandising-Laden der Partei, zu schließen. Er legte eine Rechnung vor, die zeigte dass der PShop nicht rentabel war, und die Partei draufzahlen müsste. Es folgte große Unzufriedenheit in der Basis. Dann wurden die Zahlen angezweifelt. Der Shop blieb aber geschlossen. Der neu gewählte Bundesvorstand beschloss den Shop wieder zu öffnen. Der Bundesschatzmeister legte dem Beschlussantrag eine Rechnung bei, die zeigen sollte wie der PShop rentabel betrieben werden kann. Im Gegensatz zur früheren Rechnung des Bundesvorstands wurde nun davon ausgegangen dass Wahlkämpfe nicht mehr nur sporadisch auftreten, insbesondere von externen Wahlterminen abhängen. Stattdessen wird ein stetes Geschäft angenommen. Wer sich diese Tabelle genauer ansieht (und von der Durchmischung von Gewinn- und Verlustrechnung und Cash flow statement nicht abgeschreckt wird) wird feststellen, dass die zukünftige Gewinnrechnung von einer regelmäßigen Vereinnahmung von 10,000€ 'ausstehende Zahlungen' ausgeht. In anderen Worten: Kunden sollen dieselben alten Rechnungen ständig neu zahlen. Natürlich Unsinn, wie jeder, der schonmal eine Rechnung bezahlt hat, bezeugen kann. Aber nach dieser Rechnung (und nur dank dieser Rechnung!) soll der PShop schwarze Zahlen schreiben. Das gewünschte Ergebnis ist da. Und das ist alles was zählt.

Die Zahlen hinterfragen? Könnte man bestimmt, nur was würde es uns bringen?

Quellen: Mitgliederzahlen von https://github.com/sbeyer/Piratistiken ergänzt um die letzten Werte von https://twitter.com/H3rmi/status/514328939226202112 wie folgt nachbearbeitet: Für stimmberechtigte Mitglieder in Landesverbänden wurden Werte unter 10 verworfen. Zeitpunkte ohne Messwerte wurden jeweils durch den zuletzt bekannten Wert des Landesverbands befüllt. Graphen wurden mit R erstellt, Code. Die genaue Definition um den Mitgliederstatus und der Stimmberechtigung ist natürlich noch minimal komplizierter als hier dargestellt, interessiert aber niemanden. Bei der Ermittlung von S können Artefakte auftauchen, z.B. können Umzüge zwischen den Landesverbänden in Verbindung mit veralteten Informationen zu einer temporären Doppel- bzw. Nichtzählung von Mitgliedern führen. Auch das interessiert niemanden und ist für den Langzeittrend unerheblich.

Sonntag, 29. Juni 2014

BPT 14.2 Nachlese

  • Ein ausserordentlicher Parteitag. Ein neuer Vorstand. Die Entropy-Satzung zeigt zum zweiten Mal dass eine komplette Vorstandsneuwahl dank Einzelwahl jedes Pöstchens exakt zwei Tage benötigt.
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  • Ein neuer Vorstand.Yeah. Endlich gewinnt die eine Seite, damit kann man der anderen Seite so richtig eine reinhauen.
  • Ein neuer Vorstand. Alles ganz tragisch. Seh ich nicht so. Sekor gebe ich gerne ne Chance. Für Schatzmeister und Generalsekretär gibts bis zu ihrem nächsten Rücktritt genug Leute, die die tatsächliche Arbeit machen. Politischer Geschäftsführer wird hoffentlich genug ausgelastet um zukünftige Peergroup-Vorwürfe an andere Bundesorgane zu vermeiden.
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  • Lächerliche Aktion bei der Aufstellung von Christopher. Einen Kandidaten zur Wahl erst zuzulassen (!), ihn sich vorstellen zu lassen und dann nach Schließung der Kandidatenliste die Situation nicht heilen können und den Kandidaten rückwirkend von der Wahl auszuschließen - egal um welchen Kandidaten es geht, das war eine mehr als unsportliche Aktion. Diskussionen um den exakten Wortlaut der Geschäftsordnung (die wohl Unterstützung pro Kandidat und nicht pro Bewerbung vorsah) und die angebliche Änderung des Formulars auf Vorschlag des Frontoffice (!) dahingestellt - das war ein klares Foul der Schiedsrichter. Schiedsrichterteam hat Glück gehabt, dass Suarez in der Versammlung nicht sonderlich beliebt war, und sein Heimatverband wohl keine disziplinarrechtliche Klärung sucht.
  • Für Berliner örtlich besonders günstig gelegener Parteitag wird nicht von Berlinern gewonnen.
     
  • Was auch immer das bedeuten mag. Dass am Parteitag irgendjemand gewonnen hat kann ich nicht erkennen.
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  • Warum war Christopher nicht super beliebt? Vermutlich weil er den Parteitag aufgeweckt hatte. Darauf steht offensichtlich die rote Karte. Der im Vorfeld zum "Richtungsentscheid" aufgeblähte Parteitag dümpelte schnuckelige 6-8 Stunden vor sich hin, statt..
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  • ... die dringend notwendigen ...
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  • ... Punkte anzusprechen und mal eine förmliche Diskussion von den Themen, die die Partei scheinbar wirklich bewegen (lies: entzweien), war die ausgegebene Devise aller beteiligten Teams lieber ...
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  • ... erstmal ne Pause einzulegen. Nur dank der Tierbildchen im Stream wusste der Zuschauer dass der Stream noch läuft. 40% des Parteitags: Pause. 10%: Besprechung, wann die nächste Pause ist. Zwischendurch zur Auflockerung: 45 Minuten Film. Anschließend: Pause. 5% sinnloser Spannungsbogen durch die Ankündigungen des Wahlleiters - Ungültige Stimmzettel sind wohl Kernthema - und der Rest: Tatsächlicher Parteitag.
    Vermutlich der ineffizienteste Parteitag seit Gründung. In Bingen war mehr los.


  • Eine letzte Pause, dann der Rest. Bitte weiterscrollen.


  • Der aufarbeitende Parteitag wollte sich also lieber in einen opiumrauschähnlichen Dämmerschlaf begeben und die Probleme ausschließlich durch Wahlen lösen. Kann man machen. Ist halt dumm. Haben dann scheinbar Teile des Parteitags irgendwann auch kapiert, und die Problemdiskussion schien dann abseits der Schlafwagengesellschaft ausserhalb der Halle stattzufinden. Parteitage als Richtungsentscheid? Offensichtlich genauso sinnvoll wie Liquid Feedback oder BEO zur Antragsdiskussion.
  • Ach ja: Der BEO kommt in 99 Tagen. Spitze. Der BEO ist einer Urabstimmung gleichgestellt? Klasse. Wo verifiziere ich mich eigentlich zur Urabstimmung? Ach, da muss ich gar nicht. Hm.
  • Parteitag einig: Die Berliner pauschalisieren ständig immer alles. Weiß jeder.
  • Browniepunkte durch Entschuldigung für Taten (oder Reden, whatever) von Berlinern.
  • Aus versehen klärende Worte zum Eiergate. War wohl der Sandmann pinkeln. Ausgenommen die "Ich nehme an"-Redebeiträge und die "Reisst-euch-Zusammen"-Worte von Sekor die produktivsten 30 Sekunden des Parteitags für die Einheit der Partei.
  • Ausserordentlicher Parteitag hätte bekanntlich mindestens 8 Wochen früher stattfinden müssen. Weil ist ja sonst nicht mehr unverzüglich. Parteitag beginnt mit Verzögerung und ohne Beamerbild - weil die Technik noch nicht so weit ist. Ich bin amüsiert.
  • Ausserordentlicher Parteitag muss unverzüglich stattfinden. Versammlungsleitung eröffnet zuerst den ordentlichen Parteitag. Obwohl sie auch den aBPT eröffnen hätten können. Fachbegriff: schuldhafte Verzögerung. Ich bin amüsiert.
  • Hausordnung, die Auslage von parteifremden Medien (Antifaflaggen) verbietet, verbietet Auslage von parteifremden Medien (Kompass). Ich bin amüsiert.
  • Versammlung beschließt Wahlordnung. Versammlung und Versammlungsleitung verstehen erstmal Wahlordnung nicht. Klassiker.
  • Basis fragt Vorstand ob Basis ein Vorstandsamt wählen soll. Basis bei der Arbeit.
  • Piraten vor Ort sehen sich Stream der Versammlung an, auf der sie gerade sind. Läuft.
  • Wo wir dabei sind: Bundesmitgliederversammlung schaut Film über Bundesmitgliederversammlung. Denk mal drüber nach.
  • Unklar: Werden wir auf der nächsten Bundesmitgliederversammlung einen Film sehen über Teilnehmer, die die aktuelle Bundesmitgliederversammlung vor Ort am Stream verfolgten? Und wird sich das jemand vor Ort am Stream ansehen?
  • Noch besser: Bundesvorstand kündigt an die Kosten der Bundesmitgliederversammlung, insbesondere also der Zeit wo die Bundesmitgliederversammlung den Film über die Bundesmitgliederversammlung ansah, nicht von früherem Bundesvorstand privat einzuklagen. Na denn.
  • Versammlung sieht Film wo frühere Versammlung sich über ihre gewählten Leute freut. Versammlung buht auf dieser früheren Versammlung gewählte Person aus. Für ein neues Miteinander und so.
  • Neutralere Versammlungsleitung dreht Kandidaten das Mikro ab, schreibt Kandidaten vor wie sie ihre Vorstellung zu organisieren haben, lässt Kandidaten nicht zu, kommentiert Kandidatenvorstellungen. Kann man machen. Führt halt zu Fragezeichen bei denen, die eine neutralere Versammlungsleitung wollten. Ich bin amüsiert.
  • Versammlung am Ende noch schlau genug den nächsten unverzüglichen Parteitag abzuwenden (Sauter, Rn. 195; Wenn dus nicht siehst dann frag einen Justitiar deiner Wahl, am besten einen der die Wahlordnung erklären kann.).
  • Antragsteller für "Wir machen keinen BPT"-Antrag betont wie wichtig das Bundesschiedsgericht ist. Und behauptet der Parteitag leide unter Ladungsfehlern. Ignorierend die 8 (in unterschiedlichen Besetzungen einmütigen) Negativ-Befunde des Bundesschiedsgerichtes.
  • Bundesschiedsgericht immer noch mit Berlinern und JuPis besetzt. Laut Idioten auf Twittern "wird das noch zum Problem werden". Vermutlich weil auch in Zukunft damit gerechnet werden muss dass das Bundesschiedsgericht wieder unerwartet in Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsmeinung einheitlich entscheiden wird.
  • Wobei doch strenggenommen das Bundesschiedsgericht jetzt definitiv unbefangen gegenüber dem Bundesvorstand ist? Logik stört Verschwörungstheorie.
  • Apropos Bundesschiedsgericht: Das erhält im Lauf der Versammlung 25 Mails und beendet so ca. 3 Verfahren auf die eine oder andere Art und Weise. Wegen Dreckwerferei auf Twitter geblockte Person versucht über Twitter auf die Dringlichkeit seiner Eingabe hinzuweisen. Fällt erst bei einer Suche 18 Stunden später auf. Ich bin amüsiert.
  • Erster Bundesvorstand ohne Kassenprüfer seit Einführung der Kassenprüfer. Offensichtlich ein überflüssiges Amt. Wer macht jetzt die Regressforderungen gegenüber dem neuen Bundesvorstand? Ich bin amüsiert.
  • Parteitag zufrieden mit dem gewählten Bundesvorstand. Voraussichtlich bis zum nächsten Gate.
  • Parteitag so sinnlos, dass selbst Paul Weiler abgesagt hat.
  • Viel Erfolg, Sekor.

Freitag, 21. Februar 2014

#orgastreik? Danke! [update]

Updates sind in diesem unauffälligen Blau markiert

§ 6 Abs. 1 WBO? Ne, diesmal nicht. Diesmal ist Gefahr im Verzug: Morgen (Freitag) geht mein Flieger.
Das hier stellt natürlich alles nur eine Privatmeinung dar, und ist selbstverständlich nicht die Meinung von irgendeinem Parteiorgan.



Hallo liebe Bundes-IT,
Hallo liebe IT NRW,

Vielen Dank für das Abschalten der Infrastruktur des Bundesschiedsgerichts ohne jegliche Vorwarnung.

Am 20.02.2014 war eine Verhandlung im NRW-Mumble anberaumt. Ich gehe davon aus, dass ihr die auch einfach unterbrochen hättet, wenn sie nicht aus anderen Gründen kurzfristig verschoben worden wäre. Das wäre natürlich besonders toll gewesen, weil wir auch für halbe Sitzungen ein ganzes Protokoll schreiben müssen, und dann einen neuen Termin festlegen und alle neu einladen müssen. Um dann drauf zu hoffen dass zum nächsten Termin alles glattgeht.

Am 22.02./23.02.2014 trifft sich das Bundesschiedsgericht für eine Klausur in Berlin. Das war der Partei 1.200 € wert. Euch aber offensichtlich nicht. Wir dürfen das jetzt ohne Teampad und ohne Wiki machen. Oder gleich bleiben lassen. 8 Leute verzichten dafür auf ihr Wochenende, mancher auch auf den LPT NDS, den ihr damit natürlich auch supertoll torpediert.

Die interne Kommunikation des Bundesschiedsgerichts läuft über eine Mailingliste. Die ist jetzt auch tot? Ich weiß es nicht, gehe aber davon aus. Wir haben weitere Verhandlungen. Zu denen müssen wir vorab einladen. Unsere Freizeit blocken. Können wir die uns jetzt schenken, weil die IT offline bleibt? Ich weiß es nicht.

Wäre die Bundes-IT nicht stets unfähig genug gewesen uns innerhalb eines Jahres *kein* Ticketsystem einzurichten (oder auf eine beliebige Anfrage zu reagieren), könnte ich mir die Reise jetzt komplett sparen. Also 'sparen' im Sinne von 'das Geld ist trotzdem schon ausgegeben'.

2009 brauchten wir noch ein Amtsgericht um unsere Server abzuschießen. Heute schaffen wir es ohne Hilfe. Großartig.
Euer Zwist mit der Welt ist nicht meiner. Vielen Dank. Für nichts.

Die Lehre für mich ist klar: Das Bundesschiedsgericht muss sich aus der BundesIT-Infrastruktur komplett zurückziehen. Und wenn das einen eigenen Mumbleserver für einen einzelnen Raum, einen eigenen Wikiserver für eine einzelne bescheuerte Seite, ein Mailinglistenserver für eine einzelne Mailingliste und ein eigener Padserver für ein einzelnes Team bedeutet. Aber es kann nicht sein, dass uns der Hahn vorsätzlich, willkürlich und ohne Vorwarnung abgedreht wird, weil sich ein paar Leute über den Inhalt ihrer Twittertimeline aufregen. Und meinen dass sie die einzigen sind, die trotz irgendeiner Gateinflation noch konstruktiv arbeiten. "Aber wir machen das doch alle ehrenamtlich"?. Bullshit. Dann stellt den Support ein, aber nicht die Server aus. So ist das nämlich kein Streik mehr, sondern Sabotage*. Zugegeben - würdet ihr nur den Support einstellen würde das keiner merken, weil man auch so schon keine Antwort bekommt.

Was ihr jedenfalls erreicht habt ist mich in diesen bescheuerten Gatekomplex reinzuziehen, obwohl ich mich da sehr bewusst rausgehalten habe. Vielen Dank auch dafür.



Hallo liebe IT Baden-Württemberg,

Danke, dass ihr uns vor den Sperenzchen und Kleinkriegen auf Bundesebene bewahrt! Ohne euch wären wir am Arsch.

Markus Gerstel
Vorsitzender Richter am BSG



Nachtrag: Ich habe mit dem (einem?) Chef der IT telefoniert. Die Pads wurden wieder freigeschaltet. Ich werde also doch in den Flieger steigen. Über das weitere Vorgehen des Bundesschiedsgerichtes wird auf der Klausur dieses Wochenende beraten. Ich werde mich dabei dafür einsetzen von der Bundes- und NRW-IT absolut unabhängig zu werden. Brechen wir unsere schön zentrale IT-Infrastruktur eben unnötig weiter auf, weil unsere Freiwilligenarmee den Sysadministrator Code of Ethics nicht kennt oder nicht kennen will.
Die passende Unabhängigkeitsdomain gibt es schon: Ein nichtinteraktives Backup der BSG-Hauptseite im Wiki ist auf http://piraten-bsg.de erreichbar.

Für die Apologeten: Ja aber es ist doch alles da was ihr braucht. Der Wikimirror hat beispielsweise keine Seitenhistorie. Wo finde ich die Satzung bei einem Fall in der relevanten Fassung? Fehlanzeige. Der Mumbleserver Brandenburg ist nicht der Mumbleserver wo wir unsere nächsten beiden Verhandlungen hingeladen haben. Ladung, ne? Das Ding in der Satzung wo drinsteht wo wir verhandeln. Dürfen wir also neu laden. Super. Muss ja nur 2 Wochen vorher feststehen und müssen sich ja nur 10 Leute für jeden Termin Zeit nehmen. Telefonkonferenzserver geht auch und ist aus den gleichen Gründen bescheuert. Davon ab dass es einen Grund hatte warum wir auf Mumble gewechselt haben. Die Pads sind doch wieder da ja und warum? Weil ich mich unverzüglich aufgeregt habe. Ohne Pads hätte ich mir das Wochenende frei nehmen können, statt es mir für die Partei um die Ohren zu hauen. Es ist doch nur ein Warnstreik ja und wann kommt der nächste unangekündigte? Ihr habt einen kleinen Sieg errungen und dabei euer institutionelles Vertrauen verspielt. Herzlichen Glückwunsch. Den Ärger werdet ihr auch intern noch bekommen, weil jetzt nämlich Insellösungen der LVs nicht nur in der IT sondern auch in der Mitgliederverwaltung und Buchhaltung plötzlich wesentlich attraktiver aussehen.

*Das ist keine Sabotage sondern ein Streik Nein. Das Streikrecht erlaubt es gerade nicht eine Fabrik abzusperren und niemand anders reinzulassen. Und die Server gehören nicht den Admins, sondern dem Bundesverband. 

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Warum ich die alternative Geschäftsordnung zur Europalistenaufstellung nicht einreiche

tl;dr: Weils nicht geht.

Ich twitterte gestern eine alternative Geschäftsordnung für die Europalistenaufstellung in Bochum.
Ich werde diese alternative Geschäftsordnung nicht einreichen. Warum nicht?
Alternative Geschäftsordnung für die Piraten Aufstellungs Versammlung PAV 2014.1 für die Liste zur Europawahl.

§ 1 - Kandidatenaufstellung

Jedes Parteimitglied darf sich als Kandidat aufstellen. Er hat sich dafür bis 12 Uhr bei der Versammlungsleitung schriftlich oder telefonisch zu registrieren.

§ 2 - Kandidatenvorstellung

Die Veranstaltungshalle wird geräumt. Stühle/Bänke/Tische etc. werden entfernt. In der Hallenmitte werden Wahlkabinen und kontinuierlich beaufsichtigte Wahlurnen platziert. An der Aussenwand der Veranstaltungshalle werden 20x20x20 cm Würfel platziert. Es werden soviele Würfel platziert, wie Kandidaten registriert wurden. Jedem Kandidaten wird ein Würfel zugelost.

Von 12:40 bis 16:00 Uhr darf sich jeder Kandidat auf seinem Würfel vorstellen. Er muss dabei auf dem Würfel stehen, und darf sich keiner technischer Hilfsmittel (Megaphon, etc.) bedienen. Solange der Kandidat auf dem Würfel steht und keine technischen Hilfsmittel benutzt, darf er alles unternehmen, was die Sicherheit des Parteitages nicht beeinträchtigt.

Leute, die nicht auf einem Würfel stehen, dürfen nicht schreien. Dies gilt als Störung der Versammlung. Bei wiederholter Verwarnung können sie bis um 16:00 Uhr vom Saal verwiesen werden.

§ 3 - Kandidatenwahl

Die Urnen werden um 12:30 Uhr leer vorgezeigt und verschlossen. Ab diesem Zeitpunkt müssen an jeder Urne stets mindestens 3 Wahlhelfer oder -leiter sitzen. Der Wahlgang wird um 12:40 Uhr eröffnet und um 16:15 Uhr geschlossen.

Stimmzettel werden an der Akkreditierung ausgegeben. Bei jedem Kandidat kann eine Wertung (-10 bis +10) vergeben werden. Eine Wertung von < 0 zählt (ungeachtet des Zahlwertes) als Ablehnung, eine Wertung > 0 (ungeachtet des Zahlwertes) als Zustimmung, eine Wertung = 0 als Enthaltung.

Ein Kandidat ist auf die Liste gewählt, wenn er mehr Zustimmungen als Ablehnungen enthalten hat.

Die Reihenfolge der Listenkandidaten ergibt sich aus der Summe der Zahlwerte der Wertungen in absteigender Reihenfolge.

Die Aufstellungsversammlung wird um 16:30 Uhr bis zum nächsten Morgen, 11:00 Uhr unterbrochen. Die Wahlzettel werden ausgezählt. Die Würfel werden eingesammelt.

§ 4 - Listenzustimmung

Am nächsten Morgen um 11:00 Uhr wird das Ergebnis der Wahl verkündet. Die Liste wird per Handzeichen mit einfacher Mehrheit bestätigt. Um 11:15 Uhr gehen alle nach Hause. Kandidaten dürfen ihren Würfel mitnehmen.

Der Vorschlag ist nicht ernstgemeint

Nein, ganz im Gegenteil.
Ich sehe nicht ein wieso eine Versammlung sich von einzelnen Leuten treiben lassen muss. Natürlich darf jeder kandidieren. Auch der aussichtsloseste Parteiaussenseiter, der selbst die Wahl zum Ortsschatzmeister schon mindestens einmal verloren hat, darf sich aufstellen. Und natürlich darf auch jeder Fragen stellen. Auch der nette S21-Witzbold von nebenan. Aber ich sehe nicht ein, dass diese beiden Leute die gesamte Versammlung bespaßen müssen. Ich würde die beiden Leute nur gerne zusammen in ein Eck der Versammlung stellen und sich untereinander unterhalten lassen.
Unsere Versammlungen sind jetzt schon mehr Basar als Kathedrale. Die Leute, die nicht Fragen nach S21 stellen, nicht spaßkandidieren und nicht in der Orga tätig sind, sind mit einer hohen Wahrscheinlichkeit draußen beim Rauchen, beim Interviews geben, oder unterhalten sich vor oder in der Halle. Warum also überhaupt so tun als ob wir ein Klassenzimmer wären, wo die Musik vorne spielt?
Was genau wäre verloren wenn die Versammlung sich weg von einem Lehrervortrag hin zu einer Kandidatenschau wandelt? Ja, die tolle Rednerschlange wäre weg, die tollen GO-Anträge wären weg und die tolle S21-Frageurne wäre weg. Also keine Profilierung der Teilnehmer mehr. Wie tragisch.
Der Vorschlag ist ernstgemeint.

Würfel? Srsly?

Es wurde eingewandt die Würfel wären zu klein und nicht barrierefrei. Überraschung: Die Würfel sind nicht der Witz der GO. Die sind verhandelbar. Woher die Würfel kommen? Also ausser von 'The Power of Three' kam diese Inspiration von den Yeoman Warders (1. Bild; links und rechts oben). Wenn du zu einer Gruppe Leuten reden willst, und die was hören sollen, dann solltest du geringfühig höher stehen.
Fürs Konzept isses egal. Rollstuhlfahrer bekommen eine erhöhte Plattform mit Rampe. Andere meinetwegen eine Plattform mit Stuhl drauf. Und wenn für jeden Kandidaten ein Quadratmeter gekennzeichnet wird, und sie ihre eigene Flipchart mitbringen können ists mir auch egal. Kernpunkte sind: Parallele, gleichwertige Vorstellung aller Kandidaten mit gleichen Spielregeln, ein Wahlgang. (Eine mitgebrachte Flipchart oder sogar Posterwand fällt unter 'gleiche Spielregeln'. Auch wenn Spontankandidaturen benachteiligt werden. Die könnten sich ja noch eine per Kurier kommen lassen.)

Es skaliert nicht

Der begrenzende Faktor ist die Zeit. Wenn jedem Kandidaten 10 Minuten Zeit (Vorstellung und Fragen - schon sehr knapp bemessen) eingeräumt werden, und 10% Verschnitt für Parteitagsorga draufgeht (utopisch wenig), dann kann ein 2-tägiger pausenfreier (utopisch) 10-Stunden-Parteitag (utopisch) 109 Kandidaten vorstellen (ohne zu wählen).
Die Halle in Bremen war 75 Meter lang, 54 Meter breit, hat also (75+54)*2 Meter 'Rand'. Bei 1 qm pro Kandidat wären damit 254 Kandidatenplätze möglich, Ein-/Ausgänge und Bühnenbereich noch nicht abgezogen. 254 Kandidaten entsprächen 5 Tage Parteitag. Doch, es skaliert. Was wir momentan machen skaliert nicht.

Das beschriebene Wahlsystem ist nicht perfekt

Interessiert mich nicht. Ich habe lediglich ein realitätsnahes Wahlsystem skizziert, das die einzige für mich relevante Voraussetzung erfüllt: Ein einzelner geheimer Wahlgang zur Listenaufstellung. Keine Vorauswahl, Wahl, Reihenfolgebestimmungswahl, oder ähnliches Gedöns. Wie genau das klappt ist mir relativ egal. Wie lange das auszählen dauert ist mir relativ egal (solange es binnen einer Nacht klappt). Am nächsten Tag kann dann man gerne die ganze Liste nochmal abstimmen und irgendwelche nötigen Stichwahlen auflösen sofern noch jemand Lust hat. Die 'perfekte Wahlmethode'-Diskussion langweilt mich jetzt schon, und wird auf der Aufstellungsversammlung auch noch alle anderen langweilen.

Niemand kann 3.5 Stunden an einem Ort stehen

Dann ist das so. Aber dafür können die Leute ja auch Stuhl-auf-Plattform haben :)
Es kommen aber auch nicht alle Teilnehmer gleichzeitig zu einer Kandidatin, selbst dann nicht wenn sie gerade Mittagspause macht. Illusorisch wäre es auch zu glauben dass bei ihrer konventionellen Vorstellung in der Versammlung alle Teilnehmer in der Halle wären und ihr zuhören würden. Leg einen Zettel hin mit "Zurück um 13:45 Uhr" und alles ist gut. Dasselbe Problem haben übrigens alle Kandidaten. Es sind deshalb 3.5 Stunden damit jeder Gelegenheit hat überall hinzuschauen. Und wenn der Parteitag diszipliniert wäre und um 8 Uhr anfangen könnte, dann würde ich da auch 8 Stunden drausmachen. Dann hat auch jeder Kandidat mal Gelegenheit rumzugehen und die anderen Kandidaten anzuschauen.

Ohne Versammlungsleitung geht es nicht

Selbstverständlich braucht eine Aufstellungsversammlung eine Versammlungsleitung. Auch eine Kandidatenmesse. Die Versammlungsleitung muss dafür sorgen dass die Kandidatenvorstellung fair (also dass Kandidaten in ihrer Vorstellung nicht behindert werden, und nicht die ihnen zugewiesenen Grenzen überschreiten) und ordentlich (Keine Handgreiflichkeiten, Störer müssen aussetzen) bleibt. Das ist kein einfacher Job. Hat aber auch keiner behauptet. Und ausserhalb der offenen Kandidaturvorstellung macht die Versammlungsleitung das, was sie immer macht.

Der Bundeswahlleiter lässt es nicht zu

Weil eine Versammlung immer einen Focuspunkt braucht. Diese Kritik kam witzigerweise von einem Proponenten des Basisentscheides, der andersrseits eine Versammlung per Post mit Parteitagsprivilegien ausrüsten möchte. Ich nenne diese Haltung mal neo-konservativ (im Wortsinne)-bedenkenträgerisch. Ist eine 100.000€-Versammlung der richtige Platz für Experimente? Wenn wir keine Experimente wöllten, hätten wir einen Delegiertenparteitag. Was also wird der Bundeswahlleiter sagen? Na man könnte ihn ja einfach fragen. Ach ne, er würde eh nicht antworten. m) Tolle Wurst. Also lieber stattdessen den AV-Faustkeil optimieren.
Nein, auch das ist nicht der Grund warum ich die GO nicht einreiche. Warum also nicht?

Die Strategie ist gut. Die Logistik fehlt.

Das ist das Kernproblem. Bist du am letzten Bundesparteitag am Samstag morgen in die Parteitagshalle gegangen und hast dich hingesetzt? Schonmal gefragt wo die ganzen Stühle, Tische und Switches herkamen? Das wird jetzt reichlich überraschend kommen, aber die hat jemand da hingestellt. Und einen Saal für 1.000 Leute bestuhlt man nicht am Samstag morgen und auch nicht am Freitag abend. Umgekehrt läuft das genauso. Die Stühle verschwinden nicht einfach spurlos am Sonntag Nacht ins Nichts. Selbst mit gutgemeinter, chaotischer Schwarmhilfe, wie am letzten Bundesparteitagssonntag, dauert es Stunden bis die Halle leer ist. Arbeitssicherheit und Verletzungsrisiken nicht einkalkuliert. Und die Kandidatenplattformen müssen auch noch irgendwoher kommen.

In anderen Worten: Ist der Saal einmal bestuhlt, dann kann dieses Konzept aus rein praktischen Gründen nicht mehr angewendet werden. Und andersrum genauso: Ist der Saal einmal leer, kannst du eine reguläre Versammlung nur noch auf dem Fußboden abhalten. Wenn wir also jetzt entscheiden würden dieses Modell für die Aufstellungsversammlung einzusetzen, dann hätte die Versammlung nur noch die Wahl zwischen 'so machen' und 'neue AV'.
(Eine am-Rand-freilassen-Bestuhlung halte ich für unpraktisch, weil dann die Halle nur noch ein großer Aufenthaltsraum wird. Leute sollen sich untereinander lieber draussen unterhalten, und drinnen Aufstellung machen. Indem ich drinnen für die Teilnehmer keine Sitzgelegenheiten gebe, forciere ich das.) Zusätzlich: Die Europalistenaufstellung soll zeitgleich/verschränkt mit einem Bundesparteitag stattfinden. Wenn wir jetzt nicht gerade 2 verschiedene Hallen zur Verfügung haben, dann seh ich nicht wie das passieren können soll. Und darum werde ich das jetzt nicht beantragen.

Montag, 21. Oktober 2013

Zur Skalierbarkeit der Schiedsgerichtsbarkeit

Als ich am 29. April 2012 in das Bundesschiedsgericht wiedergewählt wurde, bin ich - naiv wie ich bin - davon ausgegangen dass es grundsätzlich so weiterginge wie bisher: Regelmäßige kurze Telefonkonferenzen, in denen wir ein paar Fälle in Ruhe und mit Bedacht bekaspern können um anschließend eine wohlformulierte Entscheidung zu treffen.
500 Tage später sieht die Geschichte jedoch geringfügig anders aus. Hat das vorherige Bundesschiedsgericht noch eine Rekordzahl von 18 Entscheidungen bearbeitet, lautet diese Zahl für das aktuelle Bundesschiedsgericht aktuell 65, und 9 weitere Verfahren sind noch offen. In Bildern gefasst sieht das so aus:



Nicht erfasst sind Fälle, die wir noch vor der Eröffnung durch persönlichen Einsatz wegschlichten konnten. Und als ob das noch nicht genug wäre haben viele Richter auch noch 'Nebenjobs' in der Partei. Sei das ein Mandat mit zugehörigen abendlichen Ausschusssitzungen oder eine Beauftragung oder einen Listenplatz mit den damit verbundenen Wahlkampfverpflichtungen.

So kann es nicht weitergehen


Unter dem Druck und den neuen Anforderungen hat sich das Schiedsgericht im Laufe des letzten Jahres gewandelt. Statt Fälle auf einer Mailingliste zu sammeln haben wir dank der IT des LV BaWü ein eigenes Ticketsystem bekommen. Post-Eingang und -Ausgang werden über die stets hilfreiche Bundesgeschäftsstelle abgewickelt. Statt alle Fälle vollständig gemeinschaftlich zu bearbeiten setzen wir stark auf die vorbereitende Leistung jeweils eines Berichterstatters. Damit der Berichterstatter seine Arbeit macht, haben wir intern noch einen Zweitkorrektor eingeführt, dessen Aufgabe ist es den Berichterstatter anzuschieben. Auf Sitzungen werden alle Verfahren kurz angesprochen damit nichts untergeht. Als Ergebnis werden die Verfahren dort im Stakkato abgearbeitet. Urteilstexte werden manchmal immer noch gemeinschaftlich in der Sitzung verfasst, aber eigentlich hoffen alle darauf dass der Berichterstatter eine unterschriftsfertige Version vorlegt. Für die Ausfertigung sind wir von der handgestrickten DTP-Variante abgerückt und verwenden jetzt eine selbstentwickelte LaTeX-Vorlage. Kurzum: Wir haben intern das Schiedsgericht schon auf einen höheren Durchsatz optimiert. Nicht ohne Nachteile: Wir können nicht immer alles in der Genauigkeit erforschen und ausformulieren, wie wir es gerne täten. Und die Leute arbeiten sich natürlich ab, und an vielen Stellen macht sich Amtsmüdigkeit bemerkbar.
Im November soll nun also ein neues Bundesschiedsgericht gewählt werden. Wie werden sich die Fallzahlen weiterentwickeln? Zwar kann argumentiert werden, dass ja aktuell alles nur am Wahlkampf liegt - und ja, viele Anrufungen beschäftigen sich mit Kandidatenaufstellungen. Andererseits ist der bisherige Trend in den Verfahrenszahlen streng monotonisch zunehmend. Im nächsten Jahr stehen planmäßig eine Europawahl, drei Landtagswahlen und viel, viel, viel Kommunalzeug an. Jede Menge Streitpotential. Ich glaube nicht dass es auf absehbare Zeit am Bundesschiedsgericht ruhiger wird.

Was tun?


Meine Empfehlung ist es an zwei Stellen anzusetzen: Den administrativen Aufwand und den Personalaufwand reduzieren.
Ersteres ist sehr schnell zusammengefasst: Weniger Papier. Verfahrensbeteiligte bekommen keine von allen Richtern unterschriebene Fassung mehr, sondern nur noch eine elektronische, oder alternativ eine Abschrift. Eine von allen Richtern unterschriebene Fassung wird wie bisher archiviert. Klingt also nicht nach wahnsinnig viel Unterschied, macht aber einiges aus, da das typischerweise an einer Person hängen bleibt.
Die Sache mit dem Personalaufwand läuft auf die Einführung eines Kammersystems hinaus. Aktuell besteht das Bundesschiedsgericht aus (mindestens) 5 Richtern und (mindestens) 2 Ersatzrichtern. Die Idee das Bundesschiedsgericht zu vergrößern machte schon seit ein paar Bundesparteitagen die Runde. Allerdings gab es früher gute Argumente dagegen, nicht zuletzt war die Kandidatensituation nie wirklich wahnsinnig befriedigend. Natürlich, wer will sich schon einen Job ans Bein binden, der viel Arbeit und kaum Anerkennung verspricht. Oder wie ein Pirat es einst beschrieb: Das innerparteiliche Abstellgleis für Altfunktionäre. Typischerweise muss man an Bundesparteitagen geeignete Leute nach vorne zerren, und mit dem was ich eben zum Arbeitsanfall geschrieben habe, wird das nächstes Mal wohl kaum besser werden. Eine Vergrößerung des Bundesschiedsgerichts alleine wird also nicht ausreichen. Davon ab wächst der Selbstverwaltungsaufwand nicht linear mit der Anzahl der Richter im Schiedsgericht: Ein regelmäßiges Treffen mit 10 Richtern zu organisieren ist weit mehr als doppelt so schwer als eines mit 5 Richtern.



Mein Vorschlag ist das Schiedsgericht nur minimal zu vergrößern aber gleichzeitig die Arbeitsgröße durch Aufspaltung in zwei Kammern zu verkleinern. Statt 5 Richtern und 2 Ersatzrichtern würde ich mir 6 Richter und mindestens 2 Ersatzrichter wünschen. Das hätte folgende Effekte:
  • Jeder Richter muss sich nur noch mit (grob) der Hälfte der Fälle befassen.
  • Sitzungen sind kürzer (kleinere Fallzahl) und flexibler (Eine Sitzung pro Kammer, weniger Teilnehmer).
  • Arbeit wird gleichmäßiger auf alle Leute verteilt.
  • Jeder Kammer könnte einer der Ersatzrichter zugeordnet werden, und der andere Ersatzrichter wäre dann Ersatz-Ersatzrichter. Wenn beide Ersatzrichter 'aufgebraucht' sind, bleiben noch alle Richter der jeweils anderen Kammer als Ersatzrichter übrig.
Besonders wichtige Fälle könnten immer noch in der großen Runde bearbeitet werden, wobei dann die Richter entscheiden was 'wichtig' bedeutet. Und Kommunikation oder auch eine Beratung zwischen Kammern ist ebenfalls nicht ausgeschlossen.

Und jetzt?


Im letzten Monat entstand aus den Lehren des letzten Jahres Bundesschiedsgericht, aus einer Vielzahl von Kommentaren und aus Anträgen zu früheren Parteitagen der Satzungsänderungsantrag SÄA002.
Dort ist die angesprochene Formal-Foo-Reduktion enthalten, und ausserdem darf das Bundesschiedsgericht durch Geschäftsordnung ein Kammersystem einführen. Einzige Bedingung ist, dass der Bundesparteitag mindestens 6 Richter wählt.

Wenn das mit dem Kammersystem am Ende ein Riesenreinfall wird, kann das BSG das Experiment durch einfache Geschäftsordnungsänderung wieder beenden. Und sollte es doch funktionieren, dann könnte das (vielleicht etwas schöner ausformuliert) zum Standardmodell auf Bundesebene werden.